Als ich ins Zimmer trete, die Schlüsselkarte in den Kartenslot stecke, gehen die Lichter an und der Fernseher, auf dem Bildschirm ein knisterndes Kaminfeuer. Ich stelle den Koffer auf den weichen Teppich, ziehe die Jacke aus, den verschwitzten Wollpullover, lasse mich aufs Bett sinken, ziehe mir die FFP2-Maske vom Gesicht. Langsam geht es wieder, es muss das Frühlingswetter sein, nichts weiter.
Die Flammen, die glühenden Scheite, sie sind grobkörnig und verpixelt. Ich suche nach der Fernbedienung, weil mir dieses eindringliche Knistern und Knacken auf die Nerven geht, mich irgendwann sogar beunruhigt; einmal denke ich, während ich unter der Decke nachsehe, unterm Bett, zwischen den Zeitungen, dass auch dieser alberne Luxus die Waffen finanziert, die Bomben, dann denke ich, dieser Gedanke ist zu nichts zu gebrauchen, ist selbst schon ein Luxus und dekadent, dann denke ich, dass ich aufhören möchte zu denken, was aber nur der nächste Gedanke ist, ziehe schließlich den Stromstecker vom TV-Gerät. Später sitze ich da, scrolle durch einen Thread eines Militärexperten, er schreibt, Hiroshima sei heute eine lebenswerte Stadt.
Durch die Lamellen der Jalousie linse ich hinaus, überblicke die Dächer der Stadt, sehe die Universitätskirche, das Gewandhaus, bald auch das Völkerschlachtdenkmal, es ist näher, als ich dachte.
Ich gehe auf und ab, die vier Schritte zwischen Tür und Fenster, esse dabei eine Banane, dann eine zweite, grüble darüber, wie die Veranstaltung wohl verlaufen wird, was wohl gefragt werden wird und was ich antworten können werde. Später dann, als ich die letzte Passage gelesen, den Applaus abgewartet und dabei höflich ins Publikum genickt habe, als ich einen Schluck Wasser aus dem Glas genommen und es im Mund herumgehen lassen habe, später also eine Frage, die eigentlich nichts mit der Ukraine zu tun hat, meine Antwort aber schon.
Nachts mache ich einen Test, er ist negativ. Ich fotografiere ihn, als würde ich mir das Ergebnis noch einmal angucken wollen, weil ich mir zwischenzeitlich nicht mehr glaube, meiner Erinnerung oder was von ihr geblieben sein wird; ich mache das manchmal, ohne mir diese Aufnahmen je wieder anzusehen, aber es beruhigt mich zu wissen, dass ich es könnte, sollte ich mir später misstrauen.
Tags darauf in der Montagehalle, ich gehe von Tisch zu Tisch, schaue mir die Bücherstapel an, die Hefte und Broschüren, über uns ein Deckenkran mit Kabine. Draußen sagt jemand, ein Mannequin habe darin gesessen, ich sage, ach echt? Später erinnere ich mich an dieses Mannequin, es trägt Warnweste, einen Helm, vielleicht auch einen orangefarbenen Gehörschutz, es steht mir deutlich vor Augen, dabei habe ich es nie gesehen.
Im Zug eine ältere Frau mit schief sitzendem Mundnasenschutz, sie vertreibt erst mich und dann alle anderen, die meinen reservierten Sitzplatz einzunehmen versuchen, sie sagt, sie sei alt und gefährdet, sie ruft, wo ist der Schaffner, sie will sich beschweren, weil der Zug so voll ist, es ist unverantwortlich, dass der Zug so voll ist, sie wäre nie eingestiegen, hätte sie gewusst, wie voll der Zug sein würde. Ein paar Reihen weiter winkt mich ein Typ heran, zieht dabei seinen Rucksack vom Polster neben sich, er trägt Jogginghose und Kapuzenpullover, bald legt er seinen Kopf auf den Ausklapptisch, schläft ein, so lautlos, so regungslos, dass ich mich sorge, ihn einen Moment beobachte, ganz genau beobachte, nur um sicherzugehen, dass er noch atmet. Auf seinem Rücken ein Schriftzug: We belong in this world together.