Nach welchem System ordnen Sie Ihre Bücher?
Meine Bücher wohnen derzeit an Standorten in Berlin und Wien, in Büro und Wohnungen. In Charlottenburg bevölkern sie zahlreiche Zimmer; standhaft widersetzen sie sich jeder Utopie eines Umzugs. Sie stehen gern in zwei Reihen, und ihre Strategien rascher Vermehrung fügen sich nur partiell den Idealen systematischer Ordnung. In meinem Berliner Arbeitszimmer haben sie thematische Inseln gebildet: eine Insel zur Geschichte der Tiere, eine andere zur Kulturgeschichte des Weihnachtsfests, Inseln zu Tod und Suizid, zur Kunst und zur Kartographie, zu Kalender und Zeitrechnung, kleinere Inseln zu Editions- und Seminarthemen, von Philip K. Dick bis Johan Huizinga. Diese Inseln sind aus der Arbeit an Büchern, Essays und Vorlesungen entstanden; nach mehreren Jahren rücken sie gern in die zweite Reihe. Meine eigenen Bücher habe ich inzwischen aus dem Arbeitszimmer verbannt; sie stehen im Gästezimmer, nahe bei einem leeren Aquarium, in dem einmal ein Wels gelebt hat.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Gerade habe ich Ein wenig Leben von Hanya Yanagihara begonnen, und vor einigen Tagen Salman Rushdies Golden House ausgelesen. Daneben lese ich die faszinierenden Gespräche in Corina Caduffs neuem Buch zur Frage Wozu Vergänglichkeit.
Wie weit reicht Ihre Sammlung zurück?
Einige Bücher habe ich nach Umzügen und Trennungen eingebüßt; aber noch immer besitze ich Bücher aus meiner Jugend, die also schon seit mehreren Jahrzehnten bei mir wohnen – zum Beispiel eine alte Buchgemeinschaftsausgabe der Sagen des klassischen Altertums von Gustav Schwab. Dieses Buch hat mich als Kind besonders beeindruckt, nicht nur wegen seines Inhalts, sondern wegen einer Kriegsverletzung: Ein Granatsplitter hatte sich vom Buchdeckel bis zur Hälfte der Seiten sauber durchgebohrt.
Welche Bücher liegen Ihnen besonders am Herzen?
Wie so viele Menschen hänge ich an alten oder seltenen Büchern, beispielsweise zur Geschichte der Veterinärmedizin. Im Laufe der Jahre hat sich auch eine kleine Kohorte von Künstlerbüchern – also nicht Büchern über Kunst, sondern als Kunst – in meiner Bibliothek angesiedelt, die ich sehr gern mag. Zu dieser Gruppe gehören etwa die schmalen Drucke der »Edition Thanhäuser«, mit wunderbaren Holzschnitten des Künstlers/Verlegers Christian Thanhäuser, die nur in kleinen Auflagen erscheinen: für Liebhaber und Liebhaberinnen.
Welches Buch hat Ihr Leben verändert?
Schwierige Frage. Ich glaube, es war der Roman Die Pest von Albert Camus, den ich meiner Erinnerung nach im Alter von vierzehn Jahren gelesen habe. Nach der Lektüre hatte ich verstanden, dass es nicht nötig ist, fromm zu sein, um ein gutes und anständiges Leben zu führen.
Welches Buch haben Sie zuletzt verschenkt?
Kürzlich verschenkt habe ich Ilija Trojanows Reflexionen Nach der Flucht. Und für die Weihnachtsauslage einer liebenswerten Buchhandlung in der Wiener Garnisongasse habe ich Die Wunden unserer Brüder von Joseph Andras empfohlen, in der großartigen Übersetzung von Claudia Hamm.
Wer soll Ihre Bücher einmal bekommen?
An erster Stelle natürlich Annette, meine Frau. Auch Janosch, mein zweiter Sohn, hat immer gesagt, er wolle gern meine Bibliothek erben. Doch ich fürchte, er müsste erst eine neue Wohnung mieten, um alle Bücher beherbergen zu können. Vielleicht müssen die Bücher dann ins Altersheim umziehen, etwa in Container oder in ein Internet-Billigantiquariat wie »medimops«.
Wie sieht/sähe Ihre ideale Bibliothek aus?
Meine ideale Bibliothek: Hohe Räume mit labyrinthisch verzweigten alten Regalen, in denen die Bücher dann in einer Reihe stehen dürften, womöglich sogar nach Themen und Alphabet geordnet. Solche Bibliotheken gibt es nicht mehr, außer in Romanen und Erzählungen von Jorge Luis Borges oder Umberto Eco.