man könnte meinen, dass aus der sicht eines dramatikers tanz ein fremdkörper ist. oder korrekt herum gedreht, dass der dramatiker für den tanz der fremdkörper ist. was soll der dramatiker dem tanz auch erzählen? tanz hat nämlich sprache gar nicht erst nötig, tanz ist körper, tanz ist atmen, keuchen, schweben, rhythmus, schwitzen, innehalten, brechen, fallen, hasten, umarmen, entspannen, durchbrechen, entreißen, verweigern, häutung, öffnung und im besten fall keine innerlichkeit, sondern radikale entäußerung; tanz ist ausdehnung der seele, sagt man. tanz spricht von sich aus, verleiht dem eine sprache, das uns andauernd umgibt, mit dem wir uns aber nur unbewusst, wenn überhaupt beschäftigen – mit dem körper, dem uns entsetzlich fremden, und dabei ureigenen fleisch, den sedimentierten gesten, die uns vollautomatisiert durch die gesellschaft bringen, den bewegungen die uns strukturieren, heimsuchen, die in unseren sehnen und membranen hocken, die wir selbst nicht in unsere venen gepackt haben. angewachsenene auswüchse, mit denen wir uns jetzt aber trotzdem herumschlagen müssen, der körper, in den wir genauso schicksalhaft hineingeschmissen sind wie in diese schreckliche sprache, die auch nur das von sich sagt, was sie erlaubt, die etwas ungesagtes gar nicht erst zulässt.
mein schreiben hat damals in wien überhaupt erst mit tanz angefangen. oder besser: mein schreiben für den theaterraum hat überhaupt erst durch arbeiten von alain platel, trisha brown, ivana müller, anne-teresa de keersmaeker, wim vandekeybus, drei jahre assistenz beim theatercombinat wien an der schnittstelle von theater & tanz und immer wieder laurent chetouane den entscheidenden impuls bekommen. weil mir der theaterraum in seiner ganzen vielfalt geöffnet wurde. plötzlich verschwand die sprache, und es ging um den raum, um die körper – und um zeit. denn wie die musik kommt der tanz ganz gut ohne repräsentation aus, spricht zu mir eher über rhythmik, geste, bewegung, dynamik und verortung im raum. und es ging um körper. ich habe das erste mal auf der bühne körper gesehen.
gerade weil der tanz mich überhaupt nicht nötig hat, habe ich ihn so sehr nötig, weil ich ihm nichts vorschreiben kann und er umgekehrt nie versuchen wird, mir aufs wort zu folgen. und weil seine konzentrierte körperlichkeit der größtmögliche widerstand ist, an dem sich sprache reiben kann. das ist nämlich das interessante am theater, dass dort sprache auf körper trifft. oft vergisst man das ja. man spürt dieses momentane, radikal gegenwärtige aufeinandertreffen nicht mehr. dieser moment, in dem eine verdichtete sprache in ihrer seltsamkeit und fremdheit mit einem sich vielleicht sogar weigernden körper kollidiert. die körper und die sprache sind dann eine symbiose eingegangen, die die wörter manchmal verschluckt und die körper verschwinden lässt, hinter dem, das sie verkörpern. dabei liegt die spannung ja genau im ringen der körper mit der sprache, der widerstand der körper an der sprache, ihre gemachtheit offenbarend, ihre beängstigende selbstständigkeit, ihre begrenztheit und ihre ausweglosigkeit umkreisend. eine reibung, die sich im besten fall entzündet und genau dort, im widerstand zwischen dem eigenen körper und der gesellschaftlichen sprache sich ein ganzes stück welt ereignet.
gerade also diese unmöglichkeit, für tanz zu schreiben, weil er mich überhaupt nicht benötigt, eine sprache spricht, die mit meiner überhaupt nichts zu tun hat, und daher über allem stehen wird, was ich ihm vorschreibe, diese unsinnigkeit ist unheimlich befreiend und inspirierend. ich kann mich darauf verlassen, dass der tanz tut, was er will, dass er weiß, was er will, aber mir nichts davon sagen wird. die körper, die sprache und ich, wir stehen uns dann endlich wieder wie unlösbare rätsel voreinander. es heißt, liebe ist nur dann möglich, wenn der andere unbegreiflich bleibt.