Neun Studierende am Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft in Hildesheim sind von 1.–5. Juli in Klagenfurt unterwegs. An ihrer Uni haben sie am Seminar Schriftstellerinszenierung beim Ingeborg-Bachmann-Preis teilgenommen. Beim Wettlesen in der Stadt, im Strandbad am Wörthersee und auf diversen Partys setzen sie gemeinsam mit ihrer Kursleiterin Alina Herbing ihre Studien fort. Einschätzungen, Einblicke und Erkenntnisse dokumentieren sie in Wort und Bild, nachzulesen und anzusehen im Logbuch.
Die Preisträgerinnen: Früh gestartet, schnell in der Pole Position und an der Spitze feuilletonistischer Wettlisten, überrascht Nora Gomringer als Preisträgerin des 39. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs wenig. Auf einer Slam-Skala kann sie den Preis zwar nicht einordnen, aber es geht ja ohnehin um Poetry, nicht um Points. Stattdessen wirft sie Kusshände und die wohl sympatischste Danksagung seit langem in die Runde: »Ich danke herzlich jedem, der es mir gönnt.« Einzig die Feinabstimmung zwischen Blumenjacke und Blumenstrauß bietet noch Raum zur Optimierung.
Gleich doppelt ausgezeichnet, nämlich mit Kelag- und BKS-Publikums-Preis, wird Valerie Fritsch. Man munkelt, sie habe den Klagenfurter Lindwurm, der nach Jahrhunderten der Ruhe wieder die Badenden am See in Angst und Schrecken versetzt, mit den ihr überreichten Blumensträußen geschmückt und gebändigt. Das Wettschwimmen im Wörthersee ist also auch 2016 gesichert.
Die Runde der Preisträgerinnen komplettiert Dana Grigorcea, der es außerdem gelingt, den Moderator aus dem Konzept zu bringen, mit dem Hinweis, dass manche Spiele geheim bleiben müssen.
Die Laudatio: Klaus Kastberger, in diesem Jahr neu in der Jury, rechnete offenbar mit dem Hauptpreis für den von ihm ausgewählten Text von Valerie Fritsch. Nach eigenen Angaben hatte er eine entsprechend pathetische Rede vorbereitet. Darin schildert er, wie Fritsch es schafft, aus der Klagenfurter Luft einen literarischen Körper zu zaubern.
Der Gewinnertext von Nora Gomringer macht laut Sandra Kegel die Welt mit Begriffen begreifbar, vollzieht einen Balanceakt über dem Abgrund des Absurden und gibt eine Antwort darauf, wie sich über den Tod sprechen und schreiben lässt.
Hildegard Keller, die Dana Grigorcea nicht nur eingeladen hat, sondern ihr auch Stütze ist (sei es wegen der Aufregung oder weil der Arm mit Blumenstrauß und Urkunde dann doch ein wenig schwer wird), legt für die Laudatio sogar den Fächer aus der Hand und lobt Grigorcea für ihren Text, der neue Welten erschließt und bitterböse und melancholisch zugleich ist.
Die Jury: Scheint von der Wertung per Tablet zuerst überfordert, lernt aber schnell, dass starke Loyalitäten die Auswahl des entsprechenden Buttons erleichtern. Die Begründungen sprudeln. Inwiefern für die Beurteilung auch das »nicht unmittelbar textimmanente Element«, das Gesamtkunstwerk, eine Rolle spielt, fragt sich Hubert Winkels in seiner Abschiedsrede. Währenddessen drückt Juri Steiner wahrscheinlich noch immer den Button für Jürg Halter.
Die Abstimmung: Ist einfach auf den ersten Blick, absolut auf den zweiten und kompliziert auf den dritten. Ein vierter Blick wäre Teresa Präauer zugutegekommen. Die ist für alle drei Preise in der Stichwahl und gewinnt keinen einzigen. Aber ein Mann im Publikum trägt ein Shirt mit einem Affenmotiv.
Das Publikum: Darf begeistert sein, wenn es muss, aber nur kurz.
Es ist mit selbstgemachten Stimmzetteln ausgestattet, aber mit der Spannung der vielen Stichwahlen überfordert: »Oh Gott, oh Gott.«
Das Wetter: Ein klimatisiertes ORF-Studio. Draußen eine Hitze, die nicht weggehen will.
Das Essen: Wird durch Trinken ersetzt.
Wörter werden noch ein letztes Mal in den Mund genommen: Weißer Spritzer heißt ab morgen wieder Weißweinschorle.
Die Frage des Tages: Die sich der Moderator stellt: »Die einfache Mehrheit ist nicht die absolute Mehrheit?«
Die sich das Redaktionsteam stellt: Wer hat die spannungsgeladene Musik ausgewählt?
Der Satz des Tages: »Es gibt auch Spiele, von denen ich nicht jetzt reden möchte.« (Dana Grigorcea)
Die Entdeckung des Tages: intrikat: verwickelt, verworren; heikel; verfänglich
Das Klischee des Tages: Bescheidenheit
Was danach geschah: Klagenfurt verlassen. Lernen, dass Einhausungen Tunnel ohne Berg sind und keine Abkühlung bringen. Dann einen Eimer voller Eiswürfel an einer Raststätte geschenkt bekommen.
Wünsche an das Jubiläum 2016: Eingeladen werden.
Alle Bilder: © Aline Gallas & Virginia Brunn