September in Schottland, auf halbem Weg zwischen Glasgow und Edinburgh, mit einem kleinen Bogen nach Norden. Eine Stadt mit einer Burg und diesen alten Hotelschuppen, die es so nur auf der anderen Seite des Ärmelkanals gibt. Insgesamt vier Tage, und die Tage waren so voll mit Ereignissen und Begebenheiten und Menschen, dass sie ineinander glitten und an diesem einen Abend wusste ich nicht mehr: war jetzt der erste, der zweite, der dritte Abend? Ich fragte bei all den Leuten in meinem Kopf nach, aber auch sie wussten keine richtige Antwort. Ich beschloss, dass es nicht wichtig ist. Ich war, seit ich angekommen war, mit einer Fackel in der Hand von der Burg runter in die Stadt gelaufen, um mich herum hunderte andere Fackelträger, Dudelsackpfeifer vorweg. Ich war in Hotelbars in Wagenladungen Gin geschwommen, ich hatte in einem Pub ein Hafenlied gesungen, allein auf der Bühne und a capella, und ich hatte schon in dem Moment nicht mehr gewusst, warum ich mich dazu hatte überreden lassen, und mein Englisch nahm langsam eine schottische Färbung an. Dann, nachts in einem Laden für fettiges Essen, schlief ich im Stehen ein, an den Rücken eines Kollegen aus Reading gelehnt.
Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, muss das der zweite Abend gewesen sein.
Am nächsten Morgen: eine Nachricht auf meinem Telefon. Von einem schottischen Kollegen, in den ich verliebt bin, seit ich im letzten Jahr sein Buch gelesen habe.
Ob ich wach wäre. Und ob ich auf der Pfanne hätte, dass wir gleich zusammen auf die Bühne müssten.
Ja, schrieb ich zurück, wach schon, aber ich kann mein Gehirn nicht finden, und mein Gesicht und meine Seele hab ich auch irgendwo liegen gelassen.
Deine Seele, schrieb er, hab ich letzte Nacht im Kebab Shop gesehen, es war schon sehr spät.
Aber wir könnten sie da einfach nach unserem Auftritt abholen. Gesicht könnte ich eins von ihm haben. Und Gehirn würden wir nicht brauchen, es hätten heute sowieso alle einen schlimmen Hangover.
Okay, schrieb ich, das Gesicht nehme ich gern, bis gleich.
Auf der Bühne redeten wir eine Stunde über Politik und Gefühl, über Brexit und Geschichten, Gesichter hielten, abwesende Gehirne fielen nicht großartig auf. Danach machten wir uns auf den Weg zu diesem Kebab Shop, in dem wir meine Seele vermuteten. Der Laden hatte noch zu. Die Fenster waren mit Leuchtreklamen vollgestellt. Es war einer dieser Late Night Shops, wir konnten nicht sehen, ob sich drin jemand aufhielt, und Seelen, ach, die sind bei Tageslicht ja so furchtbar durchsichtig.
Komm, sagte der Schotte, lass uns in den nächsten Pub gehen, wir sollten ein Bier trinken und Haggis essen, oder etwas anderes mit viel Salz und Pfeffer.
Oh wow, sagte ich, Haggis.
Er lächelte.
Und was soll ich sagen?
Wer saß in dem Pub an einem Tisch in einer dunklen Ecke?
Mein Gehirn, mein Gesicht und meine Seele, sein Gehirn war auch dabei, sie redeten nicht viel, aber sie schienen sehr zufrieden zu sein.
Was zur Hölle macht ihr hier?, fragte ich.
Wir arbeiten an einem neuen Oasis-Album, sagte meine Seele, und ich sagte, aha, und wie soll das denn bitteschön heißen, dieses neue Oasis-Album, und da nahm mich der Schotte in den Arm und zeigte auf eine Leuchtschrift, die in diesem Moment über dem Tresen erschien: I THINK I SAW YOUR SOUL IN A KEBAB SHOP LATE LAST NIGHT.
Wir bestellten eine große Portion Haggis für alle und rauften uns wieder zusammen.