Nach welchem System ordnen Sie Ihre Bücher?
Im Moment habe ich ungefähr zehn bis zwanzig Bücher in meiner Sammlung, dazu ein paar aus der Bücherei im Dorf ausgeliehene und viele Notiz- und Skizzenbücher, in die ich so gerne male und in denen ich Sachen aufschreibe, etwa für literarische Arbeiten oder für meine Heilwerkstatt, Zeichnungen und Dinge über heimische Heilpflanzen etwa oder Wahrnehmungen von Landschaften und Mitmenschen, oder ein Traumtagebuch, weil ich oft viel träume und mich daran erinnere. Viele Bücher sind in meinem Rucksack, einige auf dem Nachtschränkchen, in der Fahrradtasche und im Auto. Ich lebe in einem kleinen Dorf nahe an einem riesigen Wald mit vielen Seen und Bächen. Zum Lesen und Schreiben bin ich meist irgendwo dort draußen in der Natur. So ist meine kleine Bibliothek also ganz überschaubar und beweglich.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Selma Lagerlöffs Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden
Wie weit reicht Ihre Sammlung zurück?
Mein erstes Buch war tatsächlich eins, das ich selber geschrieben habe, gleich als ich die ersten Buchstaben schreiben konnte, ein kleines Format, zettelgroß. Es hieß: Menschen und Tiere tun was. Ich erinnere mich, wie ich im Haus einer Oma am Esstisch saß, mit einer Kinderschere zettelgroße Schnipsel ausgeschnitten und mit einem Bleistift auf der Vorder- und Rückseite beschrieben habe. Die einzelnen Seiten habe ich dann an einer Seite, ich glaube, zusammengetackert, oder mit Tesafilm gebündelt. Neben dem Titel gab es hauptsächlich Bilder, zum Beispiel vom Nikolaus, der Geschenke verteilt, und die Kinder sagen: »Oh.« Dann gab’s ein Meeresbild mit Walen und Möwen auf dem Wasser und eins mit Kindern, die tanzen. Dann habe ich mir in der Schulbücherei oft eine Reihe ausgeliehen, sie hieß: Leselöwen, beispielsweise ein Band mit Gute Nacht-Geschichten oder einer mit Quatschgeschichten. Eigene Bücher hatte ich als Kind, außer meinen Schulbüchern, erst mal keine. In meiner Familie sind immer viele Geschichten einfach so aus dem Gedächtnis erzählt worden, vom dicken fetten Pfannekuchen, der »Kantaper, Kantaper, den Berg hinunterrollt«, von einer anderen Oma über Marienerscheinungen in Frankreich oder über andere Leute aus meiner Familie, zum Beispiel von meinem einen Opa, der viele Jahre in Gefangenschaft in Ägypten war und dort mit einem Fußballteam die Suezkanalmeisterschaft gewann, oder von meiner Urgroßmutter aus Belgien, die in die Zukunft gucken konnte, das heißt im Sinne von Potentialen, oder von einem Urgroßonkel aus Holland, Klompe Mattes, der Holzschuhmacher war und ein traditioneller Heiler, der sich besonders mit Rosen und ihrer Heilwirkung auskannte. Er sprach verschiedene Gebete in einem Dialekt, der Niederrheinisches mit Holländischem verbindet, etwa: »Jroess dech Haredoar.« Das heißt, ich grüße dich, Heckenröschen.
Welche Bücher liegen Ihnen besonders am Herzen
Neulich, kurz vor Beginn der Sommerferien, kam ein Kind in der Grundschule, in der ich eine »Fröhlich Sein-AG« leite, zu mir und sagte: »Hier, Sebastian, ich schenke dir ein Buch.« Es waren DIN A 4-Blätter, in der Breite zur Hälfte geknickt, und jede Seite war bebildert und beschriftet, ähnlich wie jenes, von dem ich eben erzählte, bloß eben etwas größer. Die ersten Sätze gehen so: »sebastian ich mach dir ein gedicht. ich will dich umarmen und so ist da ein tolis gedicht.«
Welches Buch hat Ihr Leben verändert?
Ich träume manchmal von einem Buch, die lichten Bilder darin bewegen sich, nicht rasch, eher irgendwie achtsam, das, und Bücher mit leeren Seiten zum Füllen.
Welches Buch haben Sie zuletzt verschenkt?
Ich habe einem Freund ein Buch geschenkt von mir. Es heißt Unser Tattoo und ist ein Gedichtband. Und er, Levin, Levin Westermann, schenkte mir seins: Zwetajewa 3511. Auch wenn ihr danach nicht fragt, darf ich noch erzählen, dass die ersten Sätze mich so fröhlich machten, dass ich erst mal ein paar Tage gar nicht weiterlas.
Wer soll Ihre Bücher einmal bekommen?
Bestimmt die Kinder.
Wie sieht Ihre ideale Bibliothek aus?
Ich bin ja, wie erwähnt, viel draußen in der Natur, allein und mit Freunden, und auch in den Städten wächst ja immer irgendwo etwas. Ich glaube, die Natur ist wie eine Bibliothek für mich, genauso wie der Himmel. Alles hat sein Plätzchen und immer gibt es etwas Schönes, das da wächst, und jeden Tag ist irgendwas Neues da und Altes stirbt. Dann sitze ich irgendwo rum oder spaziere und höre zu. Es ist also alles da, was ich brauche, ideal.