Anlässlich des 85. Geburtstages von Thomas Bernhard haben wir einige Übersetzer zu ihren Erfahrungen mit den Texten Bernhards befragt. Wir erkundigten uns nach den Herausforderungen und Freuden bei der Arbeit am Text, fragten nach Lieblingsworten oder -sätzen im Werk Bernhards und nach der Eignung seiner Texte zum Deutschlernen. In vier Teilen präsentieren wir nun die Antworten der Übersetzer, die Bernhard ins Ungarische, Chinesische, Italienische und Tschechische übertragen.
Im Grunde genommen lassen sich die spezifisch Bernhardschen Stilmittel, die langen, musikalisch rhythmisierten Satzketten mit ihren virtuosen Verflechtungen, den Hin- und Rückverweisen, aber auch die individuellen Wortzusammensetzungen im Ungarischen ganz gut wiedergeben – hat doch das Ungarische, als einsame finno-ugrische Insel in der indoeuropäischen Umgebung, aus historischen Gründen gerade vom Deutschen am meisten gelernt. Natürlich können die Wucht und die Langatmigkeit der Bernhardschen Monologe den Übersetzer immer wieder ins Schwitzen bringen, dann freut er sich aber, mit dem Fürsten Saurau im Pulver von Millionen umgeschnittener Bäume von Hochgobernitz just bis zum Plattensee waten zu können. Ein schweres Manko jedoch weist das Ungarische gegenüber dem Deutschen auf, und das ist beim Übersetzen von Thomas Bernhard besonders peinlich: Im Ungarischen nämlich wird die indirekte Rede mit keinem Konjunktiv hervorgehoben, sie fügt sich ohne jede formale Kennzeichnung in den sonstigen Redefluss ein, und damit geht eine wichtige Schicht, das feine ironische Distanzierungsspiel, einfach verloren.
Der Satz »Ich bin nicht gewillt, fünfundzwanzigtausend Schilling abzulehnen, sagte ich, ich bin geldgierig, ich bin charakterlos, ich bin selbst ein Schwein« in Meine Preise gefällt mir wegen der zugespitzten Selbstironie besonders. Zumindest kenne ich gerade in der brotlosen Kunst des Übersetzens keinen, der für so viel Geld nicht selbst gern zum Schwein werden und den Preis nicht annehmen würde. Dafür kenne ich als Beiratsmitglied in der Bernhard-Stiftung einige der renommiertesten Bernhard-Übersetzer weltweit. Da jede Sprache andere Schwierigkeiten bereitet, können wir einander beim Übersetzen kaum helfen, aber ihnen allen gebührt der höchste Respekt. Und wenn wir schon bei der Selbstironie waren: Bernhard habe ich auch eine der poetischsten Fehlübersetzungen meiner Laufbahn zu verdanken. Es war schon eine Schnapsidee, den Ausdruck »Brennerdörfer« in Amras als »Schnapsbrennerdörfer« statt »Dörfer um den Brennerpass« zu übersetzen. Leider hat mich nicht der Lektor, sondern erst der gründliche Rezensent darauf hingewiesen. So wird man nach dem Rausch, Bernhard übersetzt haben zu dürfen, immer wieder mit Recht ernüchtert.
Bernhards Prosa als Mittel im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht zu verwenden, scheint mir zunächst eine verwegene Idee zu sein – bis auf die Kurzprosa vielleicht, deren Stücke in ihrer meisterhaften Kompaktheit auch im Sprachunterricht sehr gut eingesetzt werden könnten – aber auch dort frühestens ab Stufe B2.
Lajos Adamik, Thomas-Bernhard-Übersetzer ins Ungarische