Wer seid ihr?
Herausgegeben wird unser Heft von Christoph Wenzel und mir, Daniel Ketteler. Mitbegründer ist Gilbert Dietrich, der für ausgewählte Hefte hinzugezogen wird. [SIC] erscheint im [SIC] – Literaturverlag mit Sitz in Aachen, wo wir über eine Lesepartyreihe in der dortigen Raststätte die Zeitschrift ins Leben gerufen haben. Zudem gibt es mittlerweile eine Buchreihe.
Was wollt ihr?
Als Studenten fanden wir junge Autorinnen und Autoren unterrepräsentiert. Es gab altehrwürdige Zeitschriften wie Sinn und Form und auch die Literaturinstitute hatten ihre Organe, boten aber verständlicherweise zuallererst Raum für eigene Hausautorinnen und -autoren.
Was bietet ihr?
Initial ging es uns um ein Nebeneinander von bekannten und weniger bekannten Autorinnen und Autoren, Durs Grünbein neben »No-Names« quasi. Das war als ein Reiz und auch eine Wertschätzung in Richtung der jungen Autorinnen und Autoren gedacht. Dazu ein ansprechendes Design, schönes Papier, gute Grafik.
Wie wählt ihr aus? Autor vor Text, Text vor Autor?
Da sind wir sicher auch befangen, vor allem wenn wir Texte von namhaften Autorinnen und Autoren anfragen oder bekommen. Aber wir versuchen in erster Linie den Text zu sehen.
Moralische, inhaltliche, formale Grenzen?
Nein, höchstens bzgl. der Seiten, und ja, doch, moralische. Wir grenzen uns jedenfalls gegenüber jedem Rechtsraunen ab. Ich persönlich mag auch keinen Elitarismus, schätze Büchner, Brecht und Döblin vor Benn und Jünger. Literatur ist ja immer auch ein politischer Akt. Fast hätte ich einmal Thor Kunkel um Texte angefragt, zum Glück hielt mich ein weiser Kollege davon ab. Der Herr Kunkel schmutzt ja nun die Plakate für die AfD voll mit seiner rechtspopulistischen Poesie, übrigens zusammen mit meiner alten Schulkollegin und heutigen AfD-Vorsitzenden Alice Weidel. Die war damals absurderweise auch lose mit unserer alten Schülerzeitungsgang assoziiert. Von der Schülerzeitung [SIC] – daher der Name –, damals noch programmatisch rot und mit Kaffeeflecken, gab es allerdings, bis zum Abi, nur eine Ausgabe. Also ja, Moral, das ist uns wichtig, und scheint gerade aktuell immer wichtiger. Vielleicht auch im Sinne der »alten« Suhrkamp-Kultur. Nicht moralinsauer, sondern liberal und demokratisch. Provokation, Kontroverse – das gerne auch – eindeutig ja, aber immer im Rahmen der Menschlichkeit und im Rahmen eines empathischen Grund-Engagements, würde ich sagen.
Inhalt oder Form?
Für mich kann ich eindeutig sagen: Inhalt und Sinn. Aber unsere Zeitschrift und wir als Herausgeber haben sicher teils sehr gegensätzliche ästhetische Standpunkte, und das ist auch gut so. Jeder hat seine »Joker«, auch für das Heft.
Und Viola Binacchi, unsere Grafikerin und Gestalterin, hat ebenso ganz entscheidend Anteil an unserer Arbeit und somit auch in Bezug auf die Form des Heftes und dessen Präsentation. Sie wählt auch die Illustratorinnen und Illustratoren aus bzw. illustriert selbst mit. Unsere Buchreihe gestaltet wiederum Felix Fissenewert.
Quoten bei der Textauswahl, Genres, Geschlechter, Themen?
Nein, aber wir haben im Rap-Heft eindeutig zu wenig auf einen gewissen Geschlechter-Ausgleich geachtet, darauf wies uns eine Kollegin neulich völlig zu Recht hin. Wir geloben Besserung.
Wie finanziert ihr euch?
Als Studenten über besagte Lesepartys, wir hatten noch einen befreundeten Videokünstler mit an Bord, Jens Heinen, der hat die Lichtprojektionen zu den Lesungen sehr professionell weiterentwickelt und daraus mittlerweile einen Beruf gemacht. Es kamen immer viel mehr Leute zu den Lesungen, und vor allem zu den Partys, als erwartet. Die haben Eintritt bezahlt und wir hatten Geld übrig. Wir sagten uns: entweder einen Discman kaufen oder eine Zeitschrift machen? Auch der Asta der RWTH-Aachen hat uns in der Folge unterstützt. In Aachen war viel möglich, die Stadt war, was junge Veranstaltungen angeht, damals recht ausgetrocknet, es gab Raum für Neues – vermutlich wären wir in Berlin nie entstanden. Heute finanzieren wir quer, über unsere Brotberufe, über Verkäufe und Kulturförderungen.
Welchem Autor, welcher Autorin würdet ihr ein Sonderheft widmen?
Dafür haben wir ja die Buchreihe.
Wer sollte euer Magazin einmal illustrieren?
Da sind wir offen.
Was hätte Marcel Reich-Ranicki über euer Magazin gesagt?
Schwer zu sagen, die älteren Autorinnen und Autoren schreckt unser Design auch mal ab. Es gab einmal einen richtig wütenden Brief eines (mittlerweile etwas angegrauten) Granden der Literatur, was wir denn für ein größenwahnsinniger, leicht yuppieesker Verein seien? So ungefähr. Das hat uns schon überrascht, dass man mit so einem Konzept derart provozieren kann.
Ist die Wahrheit oder die Lüge der Literatur immanent?
Na beides, oder? Sonst wäre Literatur eben nicht Literatur, sondern Wissenschaft. Literatur erträgt ja gerade die Ambivalenzen, den Graubereich zwischen den Gewissheiten und kommt ihnen vielleicht gerade deshalb umso näher.
Und was habt ihr abonniert?
Wir tauschen uns mit den Kolleginnen und Kollegen aus (Am Erker, Edit, BELLA triste, SACHEN MIT WŒRTERN, randnummer usw.). Und Tageszeitungen, FAZ und taz, gerne die versammelte Lügenpresse :-), und das täglich und ohne Abo, zumindest für meinen Teil.
Was kommt als Nächstes?
Als Nächstes kommt ein vergessener Autor im Buchverlag, ein zu Unrecht vergessener Autor, und Kafka-Zeitgenosse. Und am 29.9. eine Lesung aus der [SIC] Nr. 6 im ORi Berlin.