Alexandra Richter
»Großkönig alles Untern, Herr im Wissen
Und Heilfreund den gepeinigten Gewissen,
O Satan, meines Elends dich erbarme!«1
Charles Baudelaire Litanei auf Satan. In: Die Blumen des Bösen. Übertragen von Carlo Schmid, insel taschenbuch 120. Insel Verlag, 1976.
Daniel Acksteiner
»Das ist ein böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett’ gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie blutig zum Kopf herausspringen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen; die sitzen dort im Nest und haben krumme Schnäbel, wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschenkindlein Augen auf.«
E. T. A. Hoffmann Der Sandmann. In: Der Sandmann / Das Fräulein von Scuderi, insel taschenbuch 4509. Insel Verlag, 2011.
Doris Plöschberger
»Da ging der Junge am andern Morgen vor den König, und sprach ›wenns erlaubt wäre, so wollte ich wohl drei Nächte in dem verwünschten Schloß wachen‹. Der König sah ihn an, und weil er ihm gefiel, sprach er ›du darfst dir noch dreierlei ausbitten, aber von leblosen Dingen, das du mit ins Schloß nimmst‹. Da antwortete er ›so bitt ich um ein Feuer, eine Drehbank und eine Schnitzbank mit dem Messer‹.«
Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen. In: Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm. Vollständige Ausgabe auf der Grundlage der dritten Auflage ( 1837). Hrsg. von Heinz Röllecke. Deutscher Klassiker Verlag, 1985.
Dorothea Studthoff
»Driving through the Highlands of Scotland was an absorbing task in itself; there was always more going on than picture postcards allowed. Even in the nacreous hush of a winter dawn, when the mists were still dossed down on the fields of either side, the A9 could not be trusted to stay empty for long. Furry carcasses of unidentifiable forest creatures littered the asphalt, fresh every morning, each of them a frozen moment in time, when some living thing had mistaken the road for its natural habitat.«
Michel Faber Under the skin. Canongate Books, 2000.
Julia Ketterer
»Der dämonischste aller Schrecken ist derjenige, den das zutiefst Unerwartete und grotesk Unglaubliche auslöst. Nichts von dem, was ich bis jetzt durchgestanden hatte, war so entsetzlich gewesen wie das, was ich jetzt sah, und meine bizarre Überraschung über diesen Anblick.«
H. P. Lovecraft The Best of H. P. Lovecraft, suhrkamp taschenbuch 2552. Suhrkamp Verlag, 1996.
Martina Wunderer
»Hier liegt nun der springende Punkt. Sie meinen, ich sei verrückt. Verrückte sind Wirrköpfe. Nun, da hätten Sie aber einmal mich sehen sollen! Sie hätten sehen sollen, wie klug ich vorging – mit welcher Vorsicht – mit welcher Voraussicht – mit welcher Verstellung ich zu Werke ging! Nie war ich freundlicher zu dem alten Manne denn während der einen ganzen Woche, eh’ ich ihn mordete. Und jede Nacht, um Mitternacht, drückt’ ich die Klinge seiner Türe nieder und öffnete sie – oh, so sanft! […] Und jeden Morgen, wenn der Tag dann anbrach, ging ich kühn in seine Kammer und unterhielt mich dreist mit ihm, indem ich ihn in herzlichem Tone beim Namen nannte und mich erkundigte, wie er die Nacht verbracht habe.«
Edgar Allen Poe Das verräterische Herz. In: Edgar Allen Poe Werke in vier Bänden. Aus dem Amerikanischen von Arno Schmidt, Hans Wollschläger und anderen. Herausgegeben von Kuno Schuhmann und Hans Dieter Müller, Insel Verlag, 2008.
Moritz Müller-Schwefe
»Es war vielleicht kurz vor zwölf Uhr nachts, als ich plötzlich ein riesengroßes, schwarzes Gebäude nur wenige Schritte von der Landstraße vor mir auftauchen sah; dasselbe schien, soweit man bei der Dunkelheit urteilen konnte, aus mächtigen Quadern sehr solid gefügt, war mehrere Stock hoch, hatte diverse Hinter-Bauten, Remisen, Maschinen-Häuser, Schornsteine, kurz eine weitläufige, offenbar industrielle Anlage. Ich sah kein Licht; trotzdem war ich fest entschlossen, mich anzumelden. Ich läutete. Ein schneidendheller Ton fuhr durch das ganze Hause, dessen Gänge und Korridore, nach dem Echo zu schließen, gewaltige gewesen sein mußten. ›Das wird eine schöne Störung verursachen!‹, dachte ich mir. Aber zu meiner größten Überraschung hörte ich sogleich Tritte in meiner nächsten Nähe; eine Türe wurde aufgemacht; ein Schlüsselbund raschelte; im nächsten Moment öffnete sich das schwere, braun angestrichene Einfahrts-Tor, und vor mir stand ein schwarzes kleines Männchen mit freundlichem, glattrasiertem Gesicht und frug mich mit einer stummen Geste nach meinem Begehr.
– ›Entschuldigen Sie die Störung so spät in der Nacht‹, – sagte ich – ›was ist das wohl für ein Haus?‹
– ›Eine Menschenfabrik.‹«
Oskar Panizza Die Menschenfabrik. In: Oskar Panizza Die Menschenfabrik und andere Erzählungen. Buchverlag Der Morgen, 1984.
1Die wohl schaurigste Interpretation stammt von der amerikanischen Performancekünstlerin Diamanda Galás:
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