Neulich, am Montag, dem 12. Oktober 2015, imprimierte ich den letzten Band der Werke von Thomas Bernhard. Es handelte sich um die Gedichte. All seine Vorgänger imprimierte ich auch, und damit war die Ausgabe nach 12 Jahren und 22 (in 23) Bänden komplett. Auf über 10.000 Seiten (Bernhard-Texte plus Kommentare der Herausgeber) beläuft sich der Gesamtumfang. Die Vertragsverhandlungen überwanden das von Thomas Bernhard seinem Bruder Peter Fabjan überlieferte Misstrauen gegenüber dem Verlag. Konzeption und Bandaufteilung entstanden in Kooperation mit Martin Huber und Wendelin Schmidt-Dengler, sie fungierten als Hauptherausgeber, ihre Arbeit und die der Mitherausgeber stützte sich auf den Nachlass im Thomas-Bernhard-Archiv in Gmunden. Eröffnet wurde die Ausgabe mit einem Dreierpack 2003: Band 1 Frost, Band 2 Verstörung sowie Band 14 Erzählungen, Kurzprosa. Zu ihrem Ende findet im Wiener Burgtheater eine Veranstaltung statt, jeder kann sich per E-Mail an das Burgtheater wenden und sich die Lesung seines persönlichen Bernhard-Lieblingshits wünschen. Die Aufnahme der einzelnen Bände fällt einstimmig positiv aus, die Anzahl der Subskribenten ist sehr beachtlich, und sie wird mit Abschluss der Ausgabe weiter wachsen. Die Einzelbände beachten die von Bernhards Testament vorgegeben Einschränkungen, sie präsentieren also nur publizierte oder vom Autor zur Publikation vorgesehene Texte. Im Kommentarteil werden die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Werke und deren Rezeption beleuchtet. Anekdoten über den Verlauf der Editionsarbeit und über die Editionsarbeiter sind keine zu berichten, der Tod von Wendelin Schmidt-Dengler im Jahr 2008 ist keine Anekdote, er fehlt Österreich, speziell der Germanistik an allen Ecken und Enden. Die Werke sind Grundlage aller Übersetzungen und erscheinen in vier anderen Ländern. Die Ausgabe eröffnet neue Perspektiven auf den »Schreiber« Thomas Bernhard: Sie macht den Umfang seiner journalistischen Tätigkeit deutlich, sie widerlegt die These vom Ein-Buch-Autor Bernhard, sie erklärt Bernhards aus dem Jahr 1961 stammenden Verzicht auf die Produktion weiterer Gedichte. Sie führt seine raffinierten Spiele mit der Öffentlichkeit vor, in ihr und gegen sie. Undsoweiter geht es fort mit den Vorzügen der Werke. Ich erbitte mir Hinweise dazu.
Neulich vor neulich wollte ich meinem Lektor den von mir verfassten Kommentarteil zu Band 21 Gedichte zum gestrengen Gegenlesen geben. Der hatte keine Zeit, er musste an seinem neuen Roman schreiben. Ich war nachsichtig mit ihm, immerhin wurde er mit einer Arbeit über Bernhard promoviert. So viel zum Nachwirken Thomas Bernhards unter den Schriftstellern. Die Werke werden das bei jüngeren Autoren perpetuieren.