Leipzig hat die Buchmesse, Köln die lit.Cologne.
Letzte Woche Mittwoch lasen Gunther Geltinger und Marie T. Martin im Comedia Theater. Beide waren als Förderpreisträger NRW 2014 eingeladen. »Überdurchschnittliche künstlerische Begabungen, die auch in Zukunft bedeutsame Leistungen erwarten lassen«, sollen durch den Preis gefördert werden. Unter anderem überdurchschnittliche Begabungen aus den Sparten Dichtung und Schriftstellerei.
»Marie T. Martin und Gunther Geltinger ziehen alle Register«, war die Veranstaltung in der Comedia benannt. Ich war eingeladen, den Abend zu moderieren. Es sollte über das Schreiben für alle Gelegenheiten gesprochen werden. Eine Etage tiefer war Sibylle Lewitscharoff zu Gast, irgendwo in der Stadt las Frank Schätzing den vierten Abend hintereinander aus seinem neuen Roman.
Am Morgen hatte ich mich mit dem Wagen von Berlin aus auf den Weg gemacht. Sonst fuhr ich mit dem Zug nach Köln, doch letztes Jahr hatten wir fünf Stunden Verspätung – drei ICE voll mit Leuten auf dem Weg an den Rhein, um abends dort zu lesen, zu moderieren oder einfach nur dabei zu sein. Für die Kollegen der lit.Cologne ein Alptraum. Ich kam erst eine Stunde nach Beginn der Veranstaltung, die ich moderieren sollte, an. Das wollte ich dieses Jahr niemandem zumuten.
Jetzt saß ich neben den beiden Autoren. Wir sprachen über die Musikalität der Sprache, Naturlyrik, Sehnsucht, Sprachlosigkeit, Stummheit. Als Martin und danach Geltinger aus ihren Texten vorlasen, war all das kein bloßes Gerede über Literatur mehr.
Am Abend zuvor hatte ich noch einmal die ersten Seiten von Moor gelesen und Gedichte aus Martins Band Wisperzimmer. Klang, Rhythmus, Melodie. Einige Stellen las ich mir selbst laut vor.
Wir hatten ausgemacht, dass neben den unterschiedlichen Arbeiten – beide schreiben Libretti, arbeiten an Klangkunst, Hörstücken und Drehbüchern – die aktuellen Texte im Mittelpunkt stehen sollten. Marie T. Martin las zuerst; ruhig, präzise und vorsichtig. Ihren kleinen fragilen Gebilden gab sie allen Raum, um sich zu entfalten; dem Publikum ließ sie allen Raum, um sich die Gedichte zu erhören.
Gunther Geltinger hatte zuvor noch gesagt, dass er niemand sei, der Geschichten im klassischen Sinne erzähle. Vielmehr gehe es ihm darum, die Sprache in all ihren Möglichkeiten zum Klingen zu bringen. Dann fing er an: Ein bisschen sah es so aus, als würde er dirigieren. Als würde er dem Text wie ein Chorleiter immer wieder kleine Zeichen geben.
Gerne hätte ich beiden noch länger zugehört. Aber als Moderator hatte ich auch die unschöne Aufgabe, ein Ende finden zu müssen.
Wir fuhren ins Schokomuseum, wo sich während der lit.Cologne abends nach den Lesungen alle treffen, um mit Blick auf den Rhein noch ein paar Kölsch zu trinken. Sibylle Lewitscharoff war da, Denis Scheck und sein kleiner Hund, der sich souverän zwischen all der Literatur bewegte. Dahinten saß auch Saša Stanišić. Elke Heidenreichs Schuhe leuchteten rot durch den ganzen Raum.
Als ich am Morgen im Hotel aufwachte, stand der Dom direkt vor meinem Bett. Ich musste gleich weiter, hatte diesmal keine Zeit, mich kurz vor das Richter-Fenster zu setzen.