Der Theaterautor Mehdi Moradpour war im Verlauf der letzten zwei Jahre drei Mal im Iran. In drei Teilen erzählen seine Fotografien und Bildunterschriften von seinem Blick auf das Land. Hier geht es zu Teil 1.
Heißt erzählen: Ich war dabei, mittendrin, drinnen und draußen, irgendwo dazwischen ausgesetzt, hineingeworfen? Wieder Teheran: Täglich grüßt die rote Statue im Westen, hallo roter Mensch!, wenn ich aus dem Fenster schaue, oder das Haus verlasse. Heiliger? Ausgesetzter? Sanktionierter? Spider-Man? Oder Magneto (X-Men)? Was will er mir erzählen? Aha! Dass es mal einen Krieg gab, einen Golfkrieg? Ach ja! 1980 bis 1988, mitten im Kalten Krieg. Danke, Soldat, für die Info! Das stimmt, da war ich ein Kind. Was noch? Ach: Eigentlich steht er am Rande dieser Autobahn, einer der unzähligen in Teheran, und begrüßt alle, die in die Stadt reinfahren. Vielleicht sagt er ihnen hin und wieder, wie in einer Zeitschleife gefangen: »Willkommen! Der Krieg ist seit über 30 Jahren vorbei! Aber ich bin da, hallo!, um an ihn zu erinnern (ca. eine Million Tote), und an die Versehrten, und an die Zerstörung, und an die abertausend Tonnen von tödlichen Chemikalien und Waffen. Übrigens: Die Luft ist heute nicht besonders sauber! Aber es gibt keinen Grund, nicht an den Morgen zu glauben! Hallo! Still there is a point of return. Willkommen …« Vielleicht.
Vorfrühlingsnebel im Norden. Die Stadt hat viele Dächer, über zehn smogfreie Panorama- und Lass-uns-mal-auf-einem-Dach-treffen-Punkte, z. B. auf dem »Dach von Teheran«, dem »Dinosaurier-Dach«, oder auf dem hier: »Dach von Sohanak«.
Im Zentrum der Stadt: »Alle Lust will Ewigkeit«, sprach Zarathustra mal.
»Maybe the sun’s light will be dim, and it won’t matter anyhow, just call me angel of the morning, angel«: zum Gedenken an die verstorbenen Feuerwehrmänner beim Absturz des Shopping-Centers Plasko nach einem Brand im Januar 2017. Der iranisch-jüdische Investor Habib Elghanjan, der 1962 das damals höchste Hochhaus der Stadt und 1968 den Shimshon Tower in Tel-Aviv bauen ließ, wurde nach der Revolution 1979 unter anderem wegen Spionage beschuldigt und hingerichtet. Danach verließen viele Juden Iran.
Und da sind sie schon, die Überwesen (wenn man die Hauptstadt Richtung Süden verlässt)! Unmengen von überdimensional großen Trampeltieren und goldenen Zebras als eine gestaltlose Masse, noch im kollektiven Winterschlaf, kurz vor dem Erwachen.
Trauriges Rumtoben auf dem Flussbett eines nicht mehr existierenden Flusses, wie im Bauch eines wehrlosen oder toten Tiers, und Blicke auf Si-o-se Pol (33-Bogen-Brücke), eine von elf Brücken über dem einst lebendigen Fluss. Sanktionen, Klima und Misswirtschaft verschärfen den Wassermangel. Der Zayandeh Rud (lebensspendender Fluss) in Isfahan liegt wieder trocken (wegen Wassertransporten in die anderen Provinzen, Damm- und Brunnenprojekten und sinkender Niederschlagsmengen). Seit Februar 2019 hat er wieder etwas Wasser, vorübergehend.
Macbeth in Isfahan. Es gibt viele Unterschiede zwischen Übersetzung und Hexerei, aber auch Gemeinsamkeiten: Mitglieder beider Berufsgruppen sind Mischwesen, glauben wahrscheinlich an die Sprechakttheorie, ermöglichen die Kommunikation zwischen mindestens zwei Welten und suchen ständig nach neuen Kombinationen, rituellen Werkzeugen oder Zauberformeln in ihren Kesseln oder Pools. Beide sind unsichtbar und haben Macht. Oder es gibt eine unsichtbare Macht, die sie unsichtbar macht. (Auf dem Foto: Das Plakat von Macbeth, des englischen Dämonologen William Shakespeare.)