Crew
1998 gründen vier Jungs aus meiner Parallelklasse eine Crew. Sobald ich besser malen könne, dürfe ich eintreten. Einverstanden. Ich bin vierzehn Jahre alt. Bis ich siebzehn bin, werde ich Anwärter sein. In dieser Zeit sprühe ich an einer verlassenen Fabrik in meinem Viertel Dose um Dose leer: Striche, die im besten Fall Geraden sind, einer nach dem anderen – das muss doch irgendwie gehen! Warum verwackelt das immer so! – dann Fadings von Blau zu Grün, von Rot zu Gelb, Schatten, 3-D, eine kleine Stilschule, drei Jahre lang. Ich weiß, dass ich das können muss.
Abends Schmerzen im linken Zeigefinger, Farbpigmente auf meinen Händen, mit denen ich einen Tag später in der Schule umherlaufe, naiv, dumm, stolz: Schaut mal, ich mache Graffiti. (Dass ich ein Stümper bin, der nicht mal in einer Crew ist, einer, der nicht mal einen geraden Strich hinbekommt: Woher sollen die anderen das wissen?)
Battle
Rivalisierende Maler oder ganze Crews verabreden sich an einer Wand (meist eine zum Sprühen freigegebene Hall of Fame), um künstlerisch gegeneinander anzutreten. Die Jury besteht aus erfahrenen, angesehenen Malern. Sie entscheidet anschließend, wer Gewinner des Battles ist. Kriterien sind Originalität, Sauberkeit, Farbkombination, Background. In der Regel werden die Urteile akzeptiert. Der Gewinner steigt in der Hierarchie nach oben und erhält Fame. Der Verlierer büßt eben dies ein.
Tag
An einem Sommertag 2001 stehe ich am Steintor und warte auf eine Straßenbahn. In meiner Tasche steckt ein großer Edding, eben erst gekauft im Schreibwarenhandel. (Beim Bezahlen der Gedanke: Kann sie sich denken, warum ich diesen Stift kaufe? Kann sie mir ansehen, dass dieser Moment ein besonderer für mich ist?)
Die Bahn hält, Türen öffnen sich, aussteigen, einsteigen. Natürlich bin ich aufgeregt, natürlich habe ich Angst, ein starker Arm könne mich festhalten, jemand könne die Polizei rufen. Dann ist es soweit: Mein erstes Tag fährt zum Joliot-Curie-Platz, weiter zum Markt, bis nach Kröllwitz. Drei schwarze Buchstaben, alles andere als schön, zitternd meine Hand, zitternd auch die schwarze Tinte – obwohl ich diesen Oneliner wochenlang auf Papier geübt habe.
Zu Hause fragt Mutter, was los sei, ich wirke so ausgelassen, ich hätte doch nicht etwa eine Freundin, von der sie nichts wisse?
KZM
Kleine Zwiebelmännchen.
Klaus zählt Münzen.
Kirschen zu Marmelade.
Komplett zum Mitnehmen.
Kleine Zwischenmalzeit.
Es gibt einen Satz, den ich mir immer wieder sage und der jetzt, viele Jahre später, so seltsam klingt in meinen Ohren: Ich werde niemals aufhören zu malen, niemals.