1. Nach welchem System ordnen Sie Ihre Bücher?
Das System ist zu komplex, um es hier ausführlich darzulegen. In gröbster Form zusammengefaßt, ordne ich Bücher nach Größe und besitze entsprechende selbstgebaute Regale, so das Reclamregal, das Taschenbuchregal, das Bibliotheksuhrkampregal, das Bildbandregal. Es gibt eine Ländersortierung und eine thematische Sortierung, also ein Lyrikregal, ein Philosophieregal, die Abteilungen russische oder englische Literatur, außerdem ein hierarchisches Ordnungsprinzip, das wichtige Bücher besonders ausstellt und weniger wichtige in den Korridor verbannt. Eine gewisse farbliche Harmonie (ein Zimmer nur mit weißen Büchern) halte ich ebenfalls für erstrebenswert. Bestimmte Bücher sollten in direkter Nachbarschaft stehen, beispielsweise Differenz und Wiederholung von Deleuze neben Adornos Ästhetik, Pavel Florenskijs Ikonostase neben Artauds Nervenwaage. Kurz und gut, ich finde das Buch, das ich gerade suche, durch magische Anziehung wieder, aber ich finde es auf jeden Fall.
2. Welches Buch lesen Sie gerade?
Ein Buch über Shigemori Mirei, einen japanischen Gartenkünstler der Moderne.
3. Wie weit reicht Ihre Sammlung zurück?
Ich würde meine Bücher niemals als »Sammlung« bezeichnen. Es sind für mich eher eine Art Mitbewohner, die sich durch die besondere Fähigkeit zur Ruhe qualifizieren, Genies der Verhaltenheit. Besitzt man deutlich mehr als ein Haustier, sagt man ja auch nicht »Ich zeige dir mal meine Katzensammlung«.
Im übrigen muß ich nicht jedes Buch, das ich lese und wiederlese, besitzen. Ich leihe sehr viel aus öffentlichen Bibliotheken aus. Manche dieser Bücher sind für mich bedeutender als die, die ich zuhause habe, sie gehören mit zu dem geistigen Raum, in dem ich arbeite, aber wenn ich alle diese Bücher in materieller Form »sammeln« würde, bräuchte ich ganz andere Räumlichkeiten, ein Schloß.
4. Welche Bücher liegen Ihnen besonders am Herzen?
Ich möchte die Frage etwas umformulieren: Welche Buchstützen benutzen Sie und warum?
Natürlich sind Buchstützen spießig. Natürlich braucht man sie nicht, weil man die Bücher paßgenau einsortiert und im Regal erst gar keine Lücken aufkommen läßt. Trotzdem kann ich nicht meine gesamte Arbeitszeit dem Umsortieren der Bücher widmen. Ich habe es mit schlichten Buchstützen aus lackiertem Kiefernholz probiert, mit geschnitzten Figuren, die afrikanische Fetische darstellen, seit einigen Jahren verwende ich aber ausschließlich Packungen mit eingeschweißtem Kleintierheu, die ich zwischen die Regalbretter klemme. Sie sind zugleich flexibel und stabil, und sie polstern insbesondere die Lücken zwischen großen Bildbänden.
5. Welches Buch hat Ihr Leben verändert?
James Joyce, Ulysses, ich verrate aber nicht, weshalb.
6. Welches Buch haben Sie zuletzt verschenkt?
Ich weiß es nicht mehr. Allerdings kann ich mich noch gut erinnern, wie ein Freund an meinem Geburtstag mit dem Kleintransporter vorfuhr und mir Kindlers Neues Literaturlexikon schenkte, die gebundene Ausgabe in 22 Bänden.
7. Wer soll Ihre Bücher einmal bekommen?
Meine Nichten.
8. Wie sieht/sähe Ihre ideale Bibliothek aus?
Es gäbe keinen Abstand zwischen Buch und Regalbrett. Sie wäre völlig staubfrei. Selbstreinigend.