Eine Liste, um den open mike gut gelaunt zu überstehen
Ich empfehle:
1. Schon mal da gewesen sein. Der Heimathafen Neukölln ist eindrücklich, und die Abläufe dieses Wochenendes im November sind ausgefuchst, vor allem aber eines: immer gleich, seit 26 Jahren.
2. Am Freitag anreisen und die Workshops besuchen. Deren Thema in diesem Jahr: »Gesellschaftliche Debatten und literarisches Schreiben«. Aus allen Diskussionen kristallisierte sich ein Schlagwort heraus: Solidarität. Wir wollen solidarisch sein. Das bestärkt einen natürlich in dieser ambivalenten, kleinen Welt, die Literaturbetrieb heißt und von der am Wochenende viel die Rede sein wird. Da kennen sich alle, obwohl man einander selten vorstellt, und manchmal umarmt man sich auf der Tanzfläche der OPEN MAG PARTY (siehe Empfehlung 10).
3. Ein Kind haben. Am besten ein kleines Baby. Das macht, dass man sich um jemand anderen mehr kümmern muss als um sich selbst. Es wacht in der Nacht vor der eigenen Lesung öfter auf als du, hat Ansprüche, und die erfüllst du sehr gern, weil du dann eben nicht an Wie das alles werden wird denken musst. Außerdem kennt man schon die zerrütteten Nächte.
4. Das Ganze wie eine Lesung betrachten. Wirklich vergessen, dass es ein Wettbewerb ist. Klar: Die Jury-Entscheidungen sind irgendwie auch subjektiv. Schon dass man es unter die Nominierten° geschafft hat, hat mit Glück zu tun. Aber es hilft auch, sich zu verdeutlichen, dass mit der Einsendung ja schon ein Großteil entschieden wurde. Jetzt nur noch hingehen und vorlesen. That’s it!
5. Florian Kessler (@f_kess) auf Twitter folgen. Er ist einfach ein echter Fan von Literatur und nie hämisch. Es gibt ein Stimmungsbild und Fun Facts.
6. Jemanden vor sich lesen lassen, der°die es genießt, so wie Caren Jeß dieses Jahr. Das ist so angenehm, wenn sich jemand auf der Bühne wohlfühlt. Man muss sich nicht hart machen, performen und irgendeine Coolness spiegeln. Stattdessen kann man sich auch einfach freuen, dass so viele Leute einem zuhören werden.
7. Freund°innen versammeln. Am besten solche, mit denen man vorn im Publikumsraum Platz nehmen kann. Dann muss man nicht alleine sitzen. Dann kann man später, nach der eigenen Lesung, Moules-frites essen gehen und laut lachen, als wär’ man nur so in Berlin.
8. Schleunigst zurück zu den Lesungen und hier: mal unten sitzen, mal oben im Rang. Da sitzen die coolen Kids. Denen zunicken. Außerdem kann man, wenn man sehr, sehr gute Augen hat, erkennen, was sich die Jury notiert.
9. Gute Snacks dabeihaben. Die nahrungsmäßige Versorgung ist vielleicht etwas mau. Man kann allerdings ins Café oder Restaurant nebenan (siehe Moules-frites, Luxusvariante). Shout-out an die zwei Girls mit den Mandarinen vor zwei Jahren! Gute Idee, sollte man immer dabei haben – riecht auch fantastisch.
10. Auf die OPEN MAG PARTY gehen. Beißt sich unter Umständen mit Empfehlung 3 und auch eventuell mit deiner Startnummer, geh aber trotzdem hin, »nur für eine halbe Stunde«. Da gibt’s bekannte Gesichter und Autor°innen, die lustig tanzen. Manchmal sieht man wen knutschen, und dann hat man Gossip für ein halbes Jahr oder länger.
11. Sich eine drehen mit Oles Mentholfiltern und ein bisschen kichern.
12. Trotz müder Augen und schlaffem Körper zu den frühen Lesungen gehen. Einfach wegen Solidarität (siehe Empfehlung 2) und weil es sich blöd anfühlt, den Text, der gewonnen hat, nicht gehört zu haben.
13. Mindestens einmal, gerne öfter, auf die Toilette im Untergeschoss gehen, danach die Hände waschen (empfehle ich immer) und die dort installierten Handtrockner Dyson Airblade benutzen. Das sind Geräte, wie sie sich kein°e Autor°in ausgedacht haben kann.
14. Beharrlich bleiben. Wie Ulf Stolterfoht es in seiner kurzen Ansprache ausdrückt. Egal, ob man, wie er, keine einzige Visitenkarte in die Hand gedrückt bekommt oder, wie Benjamin Quaderer vor zwei Jahren, einige: weiterschreiben.
15. Für den Fall der Fälle jemandem mit dickem Konto (also so richtig dick; nicht unter den Autor°innen messen) kennen. Denn ab 2020 sucht der open mike eine°n neue°n Sponsor°in. Dann ändert sich vermutlich etwas oder alles, und diese Liste hier wird obsolet. Bis dahin: Empfehlung 14.