1. Nach welchem System ordnen Sie Ihre Bücher?
Schwer zu beschreiben. Nicht alphabetisch jedenfalls (noch nie), mehr emotional, nach Lese-Ereignissen, auch nach Verwandtschaften. Die Muttersprache der Autoren ist das einzige formale Kriterium, das sich ab und zu umsetzen lässt (amerikanisches Brett, französisches Brett, schwedisches Brett), aber auch das muss oft aufgegeben werden, weil zum Beispiel in der Kernbibliothek (Peter Huchel nannte es die Lebensbibliothek) Bücher so unterschiedlicher Autoren wie Hans Henny Jahnn, Marguerite Duras, Fernando Pessoa, Carlos Onetti, Maurice Blanchot, Novalis, Botho Strauss und Wolfgang Hilbig stehen, das ist ein Extrabrett im Regal. Andere Autoren der Kernbibliothek stehen bei ihren Sprachen, die meisten bei der amerikanischen Literatur, Denis Johnson zum Beispiel oder William Faulkner.
Dabei fällt mir auf: Es gibt noch ein anderes formales Kriterium: Es gibt die Prosa-Bibliothek und die Lyrik-Bibliothek – das heißt, Gedichte stehen extra und ebenfalls nicht von A bis Z, aber in Schwerpunkten. Rilke, Heym und George zum Beispiel – die drei abgegriffenen Paperbacks aus DDR-Zeiten stehen bis heute nebeneinander im Regal. Über alle Umzüge und gegen die sich von Ort zu Ort neu aufdrängende Ordnungsmacht des Alphabets haben sie es geschafft, beieinander zu bleiben. Sie halten sich die Treue, und fast möchte ich sagen: Das Ereignis meines damaligen Lesens hat sie zusammen geschweißt, die Erinnerung an eine Zeit, in der ein Gedicht als die kostbarste Sache der Welt angesehen und ebenso behandelt wurde. In seinem Roman Youth hat J. M. Coetzee diese Ernsthaftigkeit der »jungen Jahre« beschrieben, jenen stellenweise unerträglichen Überschuss an Gefühl, Glauben und Begeisterung, ohne den jedoch kein tragfähiger Anfang zustande kommt und der auch in späteren Zeiten fortwirkt als eine Art Glutkern im Umgang mit Literatur, trotz größerer Skepsis und nachlassender Neugier.
Die größte Schwierigkeit ist der fehlende Platz, weshalb es eigentlich auch noch ein drittes Ordnungsprinzip gibt: Die Aufteilung der Bibliothek in jene Bücher, die in der Wohnung stehen und in jene, die im Keller aufbewahrt werden (wo ich allerdings sehr gern bin, die Regale dort sind geräumig und gut beleuchtet mit Arbeitslampen) und schließlich gibt es jene, die im sogenannten Schreibschuppen stehen, der hinter der Garage liegt.
2. Welches Buch lesen Sie gerade?
Die neuen Gedichte von Nadja Küchenmeister (Unter dem Wacholder) und die neuen Gedichte von Farhad Showghi (In verbrachter Zeit).
3. Wie weit reicht Ihre Sammlung zurück?
Bis zu Goethes Werther in einer Ausgabe von 1784, ein Geschenk.
4. Welches Buch hat Ihr Leben verändert?
Schiffbrüchige auf einsamen Inseln. Alten Quellen nacherzählt von Kurt Karl Doberer. Mit Illustrationen von Karl-Georg Hirsch, verlegt bei Alfred Holz, Berlin 1972.
5. Welches Buch haben Sie zuletzt verschenkt?
Michel Houellebecq, Karte und Gebiet – mehrmals verschenkt.
6. Wie sieht/sähe Ihre ideale Bibliothek aus?
Siehe erste Antwort.