Sina Aulbur:
Antje Rávik Strubel: Blaue Frau. S. Fischer, 2021
Der Deutsche Buchpreis könnte schon als Grund genügen, Blaue Frau von Antje Rávik Strubel zu lesen – mich aber reizt insbesondere die Perspektive der zwanzigjährigen Protagonistin auf die ungleichen Voraussetzungen der Liebe und zugleich auf die Ost-West-Konflikte innerhalb Europas.
Ruth Feindel:
Anna Lowenhaupt Tsing: Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus. Aus dem amerikanischen Englisch von Dirk Höfer. Matthes & Seitz Berlin, 2018
»Ich behaupte, dass wir die Situation der Welt nur wahrnehmen können, wenn wir die aktuelle Prekarität als einen Zustand anerkennen, der die gesamte Erde betrifft.« Anna Lowenhaupt Tsing begibt sich in ihrem prosaischen Essay auf die Spuren des Matsutake: ein Pilz, der am liebsten auf kontaminierten Böden wächst, meist von Menschen gesammelt wird, die vertrieben und entrechtet wurden, und als Delikatesse gehandelt wird. Wir sollten lieber umherschauen, statt voraus, empfiehlt die Anthropologin Tsing und entwickelt anhand des Matsutake einen alternativen ökonomischen Blick. Ein Buch, das unsere Synapsen neu verschaltet.
Doris Plöschberger:
Steven Appleby: Dragman. Aus dem Englischen von Ruth Keen. Schaltzeit Verlag, 2021
Endlich mal wieder ein neuer Superheld: Dragman. Wie es sich gehört, hat er seinen Auftritt im Comic. Fliegen und überhaupt Superkräfte entwickeln kann er nur, wenn er sich Frauenkleider anlegt. Dann soll er aber den Menschen nicht nur das Leben retten, sondern auch noch ihre Seelen. Wie Dragman das schafft, will ich unbedingt wissen.
Nastassja Martin: An das Wilde glauben. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Matthes & Seitz Berlin, 2021
Die französische Anthropologin Nastassja Martin wird auf einer ihrer Forschungsreisen durch das russische Kamtschatka von einem Bären ins Gesicht gebissen. Ich will wissen, wie man eine solche Begegnung überlebt und wie es dazu kommt, dass das eigene Gesicht zu einem Austragungsort des Kalten Krieges wird. Ein Buch, das anscheinend noch einmal ganz anders über versehrte Identität nachdenkt und über die Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden.
Anja Sackarendt:
Mithu Sanyal: Identitti. Carl Hanser Verlag, 2021
Mit Schwung fächert Mithu Sanyal das Konzept von übereinstimmender Identität auf, sinnlich und übersinnlich erzählt sie von Menschen, ihren Suchen und Diskursen. Mit großer Freude zu lesen und kaum zu glauben, dass dies nur eine Autorin so klug und lustig ersonnen haben könnte.
Marie T. Martin: Rückruf. poetenladen, 2020
In Marie T. Martins Worten zerrieselt die Welt und findet sich neu und neu zusammen, das passiert in einer gewissen Stille und zwischen klaren Bildern.
Dorothea Studthoff:
Käthe Klappenbach: Von Spinnen, Engeln und dem Licht der Welt. Die Kronleuchter des Erzgebirges. Sandstein Verlag, 2021
Wenn die Königin der Kronleuchterforschung ein neues Buch veröffentlicht, dann bin ich aber GANZ vorne mit dabei.
Dominik Eulberg: Mikroorgasmen überall. Eichborn, 2021
Fun Fact: Monatelang las ich den Titel als »Mikroorganismen überall«. Wenn das Buch auch nur annähernd so gut und biologisch fundiert ist wie sein Techno, wird das ein Kracher!
Jacob Teich:
Michael Schade: Irreguläre Tage. Spector Books, 2013
Zuerst hatte ich nur dieses bestechend schlichte Cover gesehen (mit dem »Irre« in der ersten Zeile). Und als ich Das letzte Jahr gelesen hatte (auch so schön gestaltet, große Leseempfehlung!), bin ich wieder darauf gestoßen. Jetzt bin ich sehr gespannt auf diese »autobiografische Aufzeichnung der DDR in ihrer Endphase und der ersten Jahre nach der Wiedervereinigung«.
Nicole Seifert: FRAUEN LITERATUR. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt. Kiepenheuer & Witsch, 2021
Längst gekauft, oft empfohlen worden und schon vor der Lektüre so klar, warum dieses Buch – leider – gerade wichtig ist, dass ich es zwischen den Jahren nun endlich lesen möchte.
Martina Wunderer:
Sophia Eisenhut: EXERCITIA S. Catarinae de Manresa. Anorexie und Gottesstaatlichkeit. Merve Verlag, 2021
Nachdem Sophia Eisenhut für einen Auszug aus diesem klugen, subversiven Text den Edit-Essaypreis 2019 bekommen hat, bringt Merve die Exerzitien der Catarina von Manresa nun endlich als Buch heraus. Es erzählt »die polyphone Heiligenvita eines textgewordenen Körpers« – eine (xeno)feministische Weihnachtsgeschichte für das 21. Jahrhundert.
Tobias Zielony: The Fall. Vol. 1–6. Spector Books, 2021
Darauf habe ich den ganzen Sommer und Herbst gewartet: sechs Bände im Schuber mit Fotos von Tobias Zielony und Essays von Sophia Eisenhut, Joshua Groß, Dora Koderhold, Enis Maci, Mazlum Nergiz und Jakob Nolte. Zum Trost dafür, dass ich die Ausstellung im Museum Folkwang verpasst habe. Essen schien in diesem Jahr so weit weg.