Ich glaube, Angst vor dem Tod ist nur ein anderer Ausdruck für Angst vor Gott. Sie befällt vor allem Menschen, die früher einmal an Gott geglaubt haben und die das jetzt nicht mehr können oder wollen oder beides.
Ich kenne Leute, die an die Naturwissenschaften glauben und an Gott. Ich kenne Leute, die an die Naturwissenschaften glauben und an ein Leben nach dem Tod. Ich kannte mal jemanden, der nicht an die Naturwissenschaften geglaubt hat. Er ist mittlerweile bei einem Hedgefonds Manager.
Ich kenne auch Leute, die an die Naturwissenschaften glauben und an sonst nichts, überhaupt gar nichts, und die sagen, dass nach dem Tod eben genau das ist, überhaupt gar nichts, und dass sie das auch nicht weiter beunruhige, denn wenn sie tot seien, seien sie ja tot und dann würden sie eh nichts mehr mitbekommen, also hätten sie mit dem Tod keine Probleme. Es fällt mir schwer, ihnen zu glauben.
Es gibt Philosophen, die sagen, dass das Bewusstsein eine Illusion sei. Das, was wir empfinden, wenn wir Schmerz empfinden, existiert nicht. Die Aussage »Ich habe Schmerzen« ist nur der nicht objektivierbare und damit nicht verifizierbare Ausdruck der Parallelität unserer Gehirne, die die realen zugrundeliegenden physischen Prozesse begleitet. Subjektivität ist eine Fiktion. Es gibt keine Schmerzen. Kein Ich.
Es gibt Philosophen, die sagen, das, was wir empfinden, wenn wir sagen »Ich habe Schmerzen«, ist identisch mit den zugrundeliegenden physischen Prozessen; wir wissen zwar noch nicht genau, worin die Verbindung besteht, werden es aber bald wissen. Oder nie.
Es gibt Philosophen, die sagen, das, was wir empfinden, wenn wir sagen »Ich habe Schmerzen“, ist Teil eines abstrakten, von der physikalischen Welt abgetrennten Bereichs, der kausal in sie eingreift. Oder nicht.
Und es gibt Philosophen, die sagen, das, was wir empfinden, wenn wir sagen »Ich habe Schmerzen«, ist in jedem einzelnen Mikropartikel des Universums bereits enthalten. Die Teile müssen nur hinreichend komplex kombiniert werden – zu »Schmerzen« und »Ich«.
Die wenigsten Menschen, die ich kenne, sind überzeugte Muslime, Juden oder Christen. Aber ich kenne noch weniger überzeugte Atheisten.
Eigentlich kenne ich nur einen richtigen Atheisten. Er ist Neurowissenschaftler und so intelligent, dass ich mich nicht recht traue, mit ihm zu diskutieren. Er ist aber außerdem mein Freund, und auch wenn ich ihn nie gefragt habe, ob er manchmal Angst vor dem Tod hat, weiß ich, dass er weiß, dass er nicht alles über sich selber weiß. Ich habe die Vermutung, dass er imstande ist, den Satz »Es ist logisch unmöglich, den eigenen Tod zu denken« so laut zu denken, dass alle aufkeimende Angst sofort verschwindet.
Die meisten Menschen, die ich kenne, sind überzeugte Anhänger der Naturwissenschaften, und über den Tod denken sie nicht nach. Ich glaube auch an die Naturwissenschaften. Ich glaube aber auch an die Möglichkeit eines von den Naturwissenschaften noch nicht vollständig erschlossenen Teils dieses Universums.
Ich glaube, das philosophische Problem des Bewusstseins ist im Grunde der verzweifelte Abwehrkampf der Empfindsamen gegen die unerbittliche Klarheit der Naturwissenschaften. Es geht um die Suche nach einem letzten Ort.
Nach einem Versteck, irgendwo zwischen den Quarks, in das niemand hineinmessen kann. Nach einem Raum, so klein, dass nichts darin Platz hat außer einem Ich.
Oder Gott.