Werbung für sich selbst zu machen ist wie eine Aufnahme der eigenen Stimme anzuhören, in der man sagt, dass man seine Stimme sehr mag.
Ich stand am Bellevue und war ziemlich gut drauf. Gerade hatte ich den interessantesten Job in der deutschsprachigen Agenturszene an Land gezogen: die weltweite Social Media Kampagne für den neuen Roman von Heinz Helle, erschienen bei Suhrkamp. Geiler Kunde, geile Marke, geiles Produkt. Von so einem Projekt hatte ich meine ganze Karriere lang geträumt. Wenn ich mich richtig anstellte, würde ich damit vielleicht sogar eine Auszeichnung beim Art Directors Club Deutschland gewinnen können. Auf jeden Fall wäre es was für die Mappe, das war mir klar.
Ich fing also an. Ganz easy. Heinz Helle. Guter Typ. Zum Aufwärmen. Heinz Helle. Manchmal muss man was Krasses schreiben. Der neue Roman von Heinz Helle. Krasser Scheiß. Dazu ein Berg brennender Bücher. Oder diese bekannte Szene mit diesem langhaarigen, pockennarbigen Typen mit Schnauz, aus den Rodriguez Filmen, dessen Namen keiner kennt, aber jeder kennt sein Gesicht, wie er im Whirlpool steht mit der Frau und der Tochter seines Feindes, und sie lecken seinen Oberkörper ab, und wir schneiden den Typen da raus und setzen stattdessen das Buch ein, und sie lecken das Buch ab, aber nicht billig-lasziv, sondern sinnlich-verliebt, einfach schön, oder eine hyperstilisierte Megacity in schwarz, und überall fliegende Autos, und alles blinkt und blitzt und dann bricht es langsam zusammen, aber nicht so Erdbeben-mäßig, sondern eher wie Sandburgen, und vielleicht hören wir Hendrix dazu, oder Goa, oder Udo Lindenberg, und alles sieht zwar total modern und CGI-mäßig aus, hat aber auch einen philosophischen, bildungsbürgerlichen Touch, und der schwarze Sand, aus dem die Stadt war, rieselt auf weißes Papier, Seiten, umgeblättert vom Wind, und die Kamera zoomt heran, und wir sehen die Sandkörner fallen, einzeln, jedes an seinen Platz, sie ergeben Wörter, Sätze, den neuen Roman von Heinz Helle, Hundert Prozent Kaputt, oder Constructed from Chaos, aber wieso eigentlich englisch, egal, klingt doch geil, oder Reconstructing the Mind in a World without Thoughts, oder vielleicht doch etwas klarer, direkter, ein Gehirn, ein Kopf, der Kopf von Heinz Helle, im All, kreisend, um die Sonne, da, wo sonst Jupiter ist, und er lächelt entspannt und freundlich, sympathisch aber irgendwie cool, und dann plötzlich Risse in Heinz Helles Kopf, Lichstrahlen strahlen heraus, und die Kamera nähert sich in gleichmäßiger Geschwindigkeit, während der eine Riss zu einer Spalte wird, und die Spalte zu einem Loch, wie der Eingang in eine andere Welt, und in dem Moment, in dem die Kamera darin verschwindet, wird das Bild schwarz, und ein Chart erscheint:
Heinz Helle. Come in and find out.
Das Telefon klingelt.
Heinz Helle?
Hier ist Doris. Der Hörbuchverlag hat abgesagt.
Ah. Okay. Schade.
Ja. Schade.
Naja.
Ja.
Kann man nichts machen.
Kommst du voran mit den Idee für unsere Facebook-Seite?
Naja.
Ist ja noch etwas Zeit.
Ja.
Meldest du dich, wenn du was hast?
Ja. Das mach ich.
Okay.
Okay.
Machs gut.
Ciao.