1. Nach welchem System ordnen Sie Ihre Bücher?
Mein Lehrmeister war die Bibliothek des Fachbereichs Germanistik der Freien Universität Berlin. Also eine alphabetisch-systematische Ordnung. Die schöne Literatur ordne ich nach Namen, von A bis Z, und stelle die Sekundärliteratur, falls vorhanden, gleich daneben. Mit der geisteswissenschaftlichen Literatur mache ich es genauso, aber nur mit der namhaften, also von Adorno bis Wittgenstein sozusagen. Dann hört es schon mit der Ordnung auf. Für alles andere bedürfte es nämlich einer Ordnung nach Sachgebieten und Epochen, chronologisch/systematisch. Da müsste man sich Schildchen ans Regal kleben. Aber wer macht das schon.
Das System ließe sich also wie folgt zusammenfassen: Solange es alphabetisch geht, hat es seine Ordnung, wo es chronologisch/systematisch geordnet sein müsste, zerfällt es in Unordnung.
2. Welches Buch lesen Sie gerade?
Das sogenannte Pariser Manuskript von Peter Weiss, das unter dem Titel Füreinander sind wir Chiffren im Jahr 2008 auf Deutsch erschienen ist. Der Text stammt aus dem Jahr 1950 und ist, wie einige der frühen schwedischsprachigen Texte von Peter Weiss, ein Dokument der Krise. Zugleich gehört es in die literarische Vorgeschichte der Erzählung Abschied von den Eltern von 1961. Im nächsten Jahr steht der hundertste Geburtstag des Autors bevor, und es wird hoffentlich erneut über sein Werk zu reden sein.
3. Wie weit reicht Ihre Sammlung zurück?
Ich bin kein bibliophiler Mensch und habe auch keine antiquarischen Ambitionen. Als Sohn von Vertriebenen, die sich »ohne jegliche Habe« nach dem Krieg in Westfalen niederließen, bin ich mit dem Gefühl und der sinnlichen Gewissheit aufgewachsen, dass alle Dachböden, alle Schränke und Truhen leer sind, sofern überhaupt welche vorhanden waren, und dass es nichts gibt, was die Vorfahren hinterlassen haben. Kein einziges altes Buch, nirgends. Meine Sammlung beginnt mit einigen Bänden der edition suhrkamp, unter anderem von Brecht und Beckett, die ich mir als Schüler in der Kleinstadtbuchhandlung gekauft habe.
4. Welche Bücher liegen Ihnen besonders am Herzen?
Im Grunde alle neuen Bücher. Ich reiße gern Cellophanhüllen auf.
5. Welches Buch hat Ihr Leben verändert?
Keines. So viel Macht über mich und mein Leben würde ich keinem Buch zubilligen wollen. Das eigene Leben verändern dürfen nur Menschen.
6. Welches Buch haben Sie zuletzt verschenkt?
Ein in Cellophan verpacktes. Kindeswohl von Ian MacEwan. Aber schon bald lag es wieder auf meinem Schreibtisch. Ob ich es nicht erst einmal selbst lesen wolle?
7. Wer soll Ihre Bücher einmal bekommen?
Eine schlimme Frage, offenbart sie doch das ganze Elend der Wertlosigkeit von Büchern. Hier in der Nähe am Markusplatz (nicht in Venedig, sondern in Berlin-Steglitz) gibt es eine von der Post aufgegebene Telefonzelle, die jetzt als offene Büchertauschbörse benutzt wird. Da könnte ich einiges schon zu Lebzeiten hineinstellen, aber ich befürchte, dass dort mehr Bücher hineingestellt als herausgenommen werden. Die Regale jedenfalls sind immer voll. Bleibt am Ende wohl nur noch, alles dem Tierheim zu spenden.
8. Wie sieht/sähe Ihre ideale Bibliothek aus?
Vielleicht ist es bilder- und buchstürmerischer Snobismus, oder es hat mit dem Vertriebenenschicksal meiner Eltern zu tun: Aber am liebsten hätte ich immer nur das eine Buch in meiner Bibliothek, das ich gerade lese. Ansonsten weiße Wände, luftiger, heller, leerer Raum, ein Tisch, ein Stuhl, ein offenes Fenster. Und ein Blick auf den Golf von Neapel. Von Capri aus gesehen.