Logbuch Suhrkamp und S. Fischer Hundertvierzehn starten eine Kooperation, einen Austausch über gemeinsame Themen. Kathrin Röggla und Friedrich von Borries machen den Auftakt und reagieren auf die Rede von Jaron Lanier zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Den Beitrag von Friedrich von Borries lesen Sie hier, die Antwort von Kathrin Röggla finden Sie bei S. Fischer Hundertvierzehn.
Ich soll einen Text über die Rede von Lanier schreiben. Kann über Bücher und Frieden gehen und über das Internet oder den Transhumanismus. Oder auch über die Frisur von Lanier, die finde ich nämlich ziemlich geil. Das kann man oberflächlich finden, aber zum gesprochenen Text, zur Rede gehört auch der Körper, der spricht.
Klar, Kritik könnte auch rein. Die Rede ist kitschig, an allen möglichen Stellen quillt Pathos aus den Ritzen. Hinterfragen könnte man auch, ob man wirklich einen Preis »im Namen der Weltgemeinschaft« annehmen kann. Wer einen wohl dazu autorisiert, im Namen einer Weltgemeinschaft zu sprechen? Vielleicht sollte ich aber nicht so kritisch sein, das ist echt verklemmt. Ich will ja kein verstockter, europäischer Grantler sein, der sich nicht mitreißen lässt von einem Sound, der irgendwie lässig ist und gleichzeitig die ganz großen Themen auf dem Schirm hat.
Weil Lanier so viel über Algorithmen weiß und über Google und große Konzerne trotzdem mag, will ich eigentlich gar nicht selbst einen Text schreiben, sondern mal was Neues ausprobieren. Einen NLG. NLG steht für Natural Language Generator. Ein ganz großes Ding der Zukunft. Da gibt man Stichworte ein, und dann vernetzt sich das Programm mit einer Datenbank und einer künstlichen Intelligenz, und dann entsteht ein Text, der vielleicht besser oder zumindest mit mehr Wissen unterlegt ist als einer, den ich selbst schreiben würde. Wenn ich »Transhumanismus« eingebe, dann hat so ein Programm Zugriff auf alles, was über Transhumanismus in der Datenbank oder irgendwo im Netz steht. Inzwischen werden angeblich Texte für Zeitungen von solchen Generatoren geschrieben, also google ich »NLG« und »deutsch« und »Download«, irgendeine Firma wird ja wohl so ein Ding als Demo-Version ins Netz gestellt haben. Leider finde ich zwar lauter wissenschaftliche Aufsätze über NLGs, aber nur eine Demo-Version, und die ist auf Englisch. Außerdem muss man bei der für das Download notwendigen Anmeldung wahnsinnig viele Daten von sich angeben und einen Grund nennen, warum man sich für NLG interessiert. Das dauert mir zu lange; in der Zeit, in der ich begründe, warum ich einen Text über Lanier mit einem NLG schreiben will, kann ich den Text auch selbst schreiben. Na ja, und unheimlich ist es auch. Schade eigentlich. Ich hätte »Surveillance«, »NLG« und »Rastafari« eingegeben, oder »Gehirn«, »Lanier« und »Freiheit«. Dann wäre ich zu einem Text-DJ geworden, der über Stichworte Wissensbestände in den Text lädt und so neue Assoziationsräume eröffnet. Nach dem ersten Text hätte ich noch ein Loop gemacht und »Kreativität«, »Hegel« und »Enthauptung« eingegeben, das kommt bei Lanier nämlich auch vor. Und im dritten Loop »Nazi«, »Gadget« und »menschliche Kontinuität«. Dann »Transhumanismus«, »Sturzregen« und »Menschenrechte«. In einem guten NLG kann man bestimmt auch eine sprachliche Baseline legen und einen Beat draufpacken, ja, wegen Laniers Rastalocken hätte ich da irgendwas Reggae- oder Dub-mäßiges genommen. Und wenn das Programm gut gewesen wäre, dann hätten am Ende die Worte und Referenzen getanzt, dass es Gehirn und Körper durchzuckt.
»Reichtum«, »Glockenkurve«, »Grundeinkommen«.
»Wolfsrudel«, »Netzwerk«, »Datenschutz«.
»Microsoft«, »Aktivismus«, »Algorithmus«.
Borries feat. Lanier, so hätte ich das dann genannt. Geht doch. Vielleicht lade ich mir die Demo das nächste Mal runter.