Auf den Balkonen ringsum,
prachtvoll eingenäht in weiße
Haut, strecken Nachbarn ihre
Zunge raus: schmeckt so
fein, vom Wind ein wenig
angewürzt, das helle Schrein
eines Mädchens. Einer,
schneidig wie der Sohn vom
Führer, schneidet ihr ins
Fleisch zum besseren
Verständnis Runen. Sehen
kann man nichts, zu
grell der Tag, zu schnell
das Tun. Am Ende
weint’s und rennt davon und
findet seinen Täter
nimmer. Mittweida weinte
nicht, die Stadt, sie
meint’s nicht so. In seinem
Zimmer sitzt ein junger
Goj, zu fürchten scheint
er, dass er büßen muss. Geh
weida! Andre Mädchen tragen,
wohlgesinnt, von keinem
Staatsanwalt berührt, als
Wangenschmuck ein
Hakenkreuz. Käm ein
Araber ihrer Haut zu
nah, sie riefen nach dem
Ritzer. Sachsen einig
Vaterland.
Anis Eck 5: Hymne anlässlich der Leipziger Buchmesse
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