Plötzlich erkannte Rigobert Lohse eine Möglichkeit, die Welt zu verändern. Er wollte Nachrichtensprecher werden und jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend das Wesen der Wirklichkeit in die Wohnzimmer seiner Mitmenschen transportieren und zu einer umfassenden, ultrademokratischen Aufklärung beitragen, auf dass die Massen sich erheben mögen und eines Tages das Unrecht vom Erdball gefegt, alle Armut überwunden, jeglicher Kriegswahnwitz für immer beendet und der Klimawandel in eine lebenswerte Form von Zukunft überführt sein würden.
Tatsächlich überzeugte seine Stimme die erste Sekretärin, mit der er telefonierte, sie ermunterte ihn regelrecht, der verhaltenen Reaktion des Redaktionsleiters mit dem Verve eines entschlossenen, von seinen Überzeugungen von innen her strahlenden, zukünftigen Ansagers zu begegnen, standhaft zu bleiben und sein Lächeln nicht zu übertreiben.
Er befolgte den Rat eins zu eins. Fünf Tage später saß er zum ersten Mal in einem Fernsehstudio, geschminkt, HD-optimiert, nervös bis in die von der Maskenbildnerin subtil gezupften Augenbrauen, doch ohne sich das Geringste anmerken zu lassen. Als der Aufnahmeleiter ihm den Kugelschreiber brachte, den er aus ihm unerfindlichen Gründen während der gesamten Nachrichtenansage zwischen Zeige- und Mittelfinger halten sollte, begann er derart zu zittern, dass er den Stift wieder und wieder fallen ließ und die Aufnahme unterbrochen werden musste.
An diesem Kugelschreiber scheiterte die revolutionäre Zukunft von Rigobert Lohse. Der Rest seines Lebens blieb im Dunkeln.