täglich ein stück weiter ist eine kolumne mit theaterverlegerischen reisenotizen von frank kroll. es geht um momentaufnahmen aus dem theateralltag, um wegesrandbemerkungen über glanzlichter und merkwürdigkeiten eines ganz eigenen literaturmarktgeschehens.
war man bis vor kurzem in schwechat mit dem frühen billigflieger glücklich gelandet, fuhr man mit einer grünlackierten eisenbahn direkt bis zu einer heimeligen balkanesischen würstchenbude namens BAHNHOF WIEN MITTE. irgendwann muss auf diesem armen alten bahnhof dann versehentlich ein raumschiff mit stelzen gelandet sein, worin man sich auf dem weg zur u-bahn nun erbarmungslos verläuft, um sich schließlich vor kleiderständern wiederzufinden.
hatte man früher nach einer die innenstadt rasant umrundenden trambahnfahrt im café schwarzenberg einen fensterplatz ergattert, konnte man dort über stunden völlig ungestört sämtliche tageszeitungen der welt lesen und um sich herum ausbreiten, bevor man im café sperl weitere kleine braune und die wochenzeitungen folgen ließ, um dann im bräunerhof meinetwegen noch ein burmesisches monatsmagazin zu studieren. stets wurde man dabei gleichermaßen mürrisch wie hochprofessionell bedient. schon allein letzteres: AUS BERLINER SICHT EINE ABSOLUTE UNMÖGLICHKEIT!
arbeitstreffen mit burgtheaterdramaturgen verliefen in der regel so, dass eigentlich jeder meiner unter erheblichem koffeineinfluss sorgsam vorbereiteten stückvorschläge mit einem DAS IST IN WIEN VÖLLIG UNMÖGLICH umstandslos beerdigt wurde. ein tröstliches wunder begab sich dann oft ein bis zwei jahre später, wenn die besagten stücke dann trotz oder gerade wegen ihrer unmöglichkeit in wiener spielplänen auftauchten. manchmal sogar am burgtheater. meistens als ÖEA (= österreichische erstaufführung) nach einer erfolgreichen DEA (= erstaufführung bei den oberschlauen piefkes).
das JÜNGSTE WIENER THEATERWUNDER war für mich im november 2012 die mich komplett beglückende premiere eines stückes von wolfram lotz im akademietheater (auch eine ÖEA und unterdessen schon abgespielt). schätzungsweise 77 bis zum schlussapplaus unsichtbar bleibende bühnenarbeiter hielten während dieser inszenierung die bühne, die aus hundert beweglichen und einzeln anprojizierbaren quadern bestand, über stunden in fließender bewegung. HOFFENTLICH WURDEN ALLE BÜHNENARBEITER GUT BEZAHLT! (wundern würds mich nicht.)