Logbuch Suhrkamp täglich ein stück weiter, 24.11.13

täglich ein stück weiter ist eine kolumne mit theaterverlegerischen reisenotizen von frank kroll. es geht um momentaufnahmen aus dem theateralltag, um wegesrandbemerkungen über glanzlichter und merkwürdigkeiten eines ganz eigenen literaturmarktgeschehens.

schlechte nachrichten für zeitgenössische theaterautorinnen und -autoren: der berliner stückemarkt ist geschichte. alljährlich findet im mai das berliner theatertreffen statt. seit 1978 war der stückemarkt fester bestandteil des tt-rahmenprogramms. ein wettbewerb für neue dramatik, der mit szenischen lesungen und debatten über den stellenwert und die (un)möglichkeiten heutigen schreibens für die bühne das wichtigste deutsche theaterfestival bereicherte. nun hat sich der stückemarkt selbst abgewickelt.

die teilnehmerlisten des stückemarkts lesen sich wie ein who’s who der deutschsprachigen dramatik: von elfriede jelinek (1978) über einar schleef (1983 und 1984), werner fritsch (1990), werner schwab (1991), thomas jonigk (1994), moritz rinke und john von düffel (1996), roland schimmelpfennig (1997), marius von mayenburg (1998), ulrike syha und rebekka kricheldorf (2002), philipp löhle (2007), bis zu nis-momme stockmann (2009). 2003 öffnete sich der stückemarkt auch nicht-deutschprachiger dramatik. 2004 wurde der stückemarkt um einen »dramatiker-workshop« ergänzt. 2013, nach einem leitungswechsel bei den berliner festspielen, wurde die ausschreibung bereits ausgesetzt. nun steht es fest: der stückemarkt wird nicht mehr fortgeführt. das neue, stark geschrumpfte konzept sieht vor, dass ab 2014 eine dreiköpfige jury »drei internationale Theater-nachwuchskünstler/- gruppen, die neue formen von theatraler sprache und außergewöhnliche performative erzählweisen entwickeln« zum theatertreffen einladen wird, so heißt es im pressetext der festspiele.

die entscheidung hat zu heftigen diskussionen zwischen autoren, theaterleuten und interessierten theatergängern geführt. tatsächlich reißt die entscheidung der berliner festspiele eine lücke in das ohnehin nicht besonders feinmaschig gestrickte netz der deutschen autorenförderung im bereich neuer dramatik. neben bekannteren wettbewerben wie dem heidelberger stückemarkt, dem mülheimer dramatikerpreis (der für inszenierte neue werke ausgeschrieben wird), dem kleist-förderpreis für neue dramatik oder den autorentagen des deutschen theaters in berlin (sowie weiterer preise mit eher regionaler anbindung – liste folgt) fehlt nun eine herausragender dramatikwettbewerb, der sich die mühe macht, in der flut aktueller szenischer literatur nach perlen zu tauchen, auch über landesgrenzen hinweg für aufsehen zu sorgen und anziehungen zu erzeugen (wie dies beispielsweise beim – aktuell ebenfalls von abwicklung bedrohten – klagenfurter bachmannpreis im prosabereich gelingt).

möglicherweise war die stets hohe zahl der zusendungen trotz restriktiverer einsendebedingungen in den letzten jahren nicht mehr zu bewältigen. Vielleicht geben die (von einem theaterautor geleiteten) berliner festspiele nun auch einem trend nach, der die avantgarde heutigen theatergeschehens eher in projektorientierten produktionsformen sieht. mitunter wurden die kaum geprobten szenischen lesungen beim stückemarkt – trotz prominenter besetzung – den vorgestellten stücken nicht gerecht. vielleicht krankte der stückemarkt auch schon immer am geburtsfehler, ein bloßes anhängsel des zentralen theatertreffens zu sein. in jedem fall wäre dem traditionsreichen berliner autorenfestival eher eine weiterentwicklung als dieses jähe ende zu wünschen gewesen.

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