an den entgegengesetzten enden des u-bahnsteigs laufen zwei schwarze mäuse auf und ab, als grenzten sie ein spielfeld ein. ein stammgast in der parkgastronomie setzt sich immer so, dass er den ganzen raum im blick hat, und starrt den stillenden frauen auf die brüste.
die studiengangsleitung legt uns unbedingt nahe, quellen innerhalb des textes anzugeben, und nicht als fußnoten. ich lese: the frankfurt school knew trump was coming. ich lese: notes of a native son. ich lese: die tote aus dem isdal. ich lese: night sky with exit wounds, und denke mir: wow. ich lese: murder in hampstead – did a secret trial put the wrong man in jail? ich lese: regeln für den menschenpark, und denke mir: bah.
ich schreibe: strg+c, das ist das lustigste, was ich heute gelesen habe, strg+v, one all-too-schematic plot twist is that richard spencer – the white supremacist whose phrase alt-right was adopted by trump’s strategist, steve bannon – wrote a master’s thesis on the topic of none other than theodor w. adorno, arguing that wagner’s anti-semitism prevented adorno from coming to terms with his love for wagner’s music. ich schreibe: capolino (2011) consistently uses colonial language, speaking of the central square being built »thanks to italian financial contributions«, italy’s »impressive record of achievements«, italy being »forced to leave« in 1943 (capolino, 2011, pp. 601, 602, 609) – overall a positive interpretation of colonialism and occupation that i found thoroughly inappropriate. ich schreibe: loreta mit den zwei zöpfen und ihren aufrührerischen freunden willnicht weißnicht kannnicht. ich schreibe: nimm die kohle und die spesen und mach high life und fick die alle.
unter einem tisch im café sitzt ein welpe mit einer grauen schleife um den hals und bellt im minutentakt. im studierendenzentrum drehen sich nebeneinander in den beiden mikrowellen je eine packung cannelloni mit ricotta-spinat-füllung. can kennt die besten geheimplätze zum lernen. er sagt: hau mir aufs maul, wenn ich wieder auf mein handy gucke. er liest: coordination and learning in wikipedia – revisiting the dynamics of exploration and exploitation.
studieren, das ist etwas sehr schönes, aber auch: etwas sehr vergebliches. gut ist: lesen, bis man umfällt. nur gehtso ist: mit zwanzig leuten in einem raum sitzen und über reality-tv reden und die sogenannte underclass (ein wort noch schlimmer als unterschicht) und danach wieder in die bibliothek gehen oder in den uni-pub und sicherlich keine zeit mehr haben für reality-tv, und der underclass nur noch in gestalt des deliveroo-fahrers begegnen, aber der ist ja italiener und hat einen unnötigen uniabschluss und ein rennrad, kann also nicht dazugehören, und das tut er auch nicht, weil er 2019 eh abgeschoben wird, im gegensatz zu den polnischen handwerkern braucht ihn dieses vaterland hier auch nicht wirklich. ich erzähle von der serie 19 kids and counting und habe seit monaten nicht mehr eingeschaltet. ringsum: schande.
ich schaue: holy motors. ich schaue: verbraucherschutzsendungen auf zdf, die zwischen 4 und 29 minuten lang sind, und sie entspannen mich. ich schaue: moby dick, mit orson welles als pfarrer mapple und den frauen in der kirche, die neben ihren männern sitzen, ihren männern, die das meer bald einen nach dem anderen verschlucken wird.
haltestellen, die ich oft gebrauche: holborn, caledonian road, angel, shoreditch high street. an silvester schauen wir uns im horizontalen regen die dinosaurier in crystal palace an, schießen fotos unter den straßenschildern von herne hill, sitzen im schatten des buckingham palace und betrachten das feuerwerk durch die baumkronen hindurch.
ich freue mich so unfassbar auf die royal wedding. das englische königshaus im einundzwanzigsten jahrhundert, mixed-race meghan katapuliert die of wales’ nicht nur in die gegenwart, sondern gleich in die zukunft, die eine glorreiche sein wird, in der sich die royalen assets off-shore vermehrt haben werden, inshallah. malta, wo die journalistin daphne caruana galizia mit einer autobombe in die luft gesprengt wurde – mitten in europa wurde ihr körper in tausend teile gerissen, weil sie über steuerbetrug berichtete – malta ist mit seinem totalen abtreibungsverbot nicht nur so etwas wie das el salvador des mittelmeers, sondern war auch mal eine britische kolonie – »niemand kann mich zwingen, zusammenhänge herzustellen, solange sie vermeidbar sind.«
obwohl ich mitglied bin, war ich natürlich weder bei einem treffen der bee society noch bei einer zusammenkunft der clay pigeon shooting society, die in einer halle am äußersten stadtrand trainiert (waffenschein nicht nötig – das war es dann auch, was mich angelockt hatte).
clara sagt: this casapound guy won in my municipality, my father is devastated. they are very left you know, well, sagt sie, left enough. left enough, das ist schön und besser als nichts, wir trinken auf ihren vater.
auf einer party eine art britischer juso. ich schlage vor, greisen das wahlrecht bei fehlender eignung zu entziehen wie einen führerschein. er schreit, was es bräuchte, sei ein allgemeines wahlrecht ab 16, democracy, schreit er, participation, schreit er, ich bin froh, dass er nicht auch noch referenda schreit, aber: gebranntes kind scheut bekanntlich usw. im übrigen: http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk_politics/news/105751.stm
ich träume: ich schwimme mit can im meer, wir treiben so weit ab, dass ich nicht mehr weiß, in welcher richtung der strand liegt, nach einer ewigkeit schaffen wir es doch, durch den nassen sand robbend bemerke ich, dass ich mein handy die ganze zeit dabei hatte, und eile nach hause, um es in reis zu legen, doch reis ist aus – also lege ich es in eine schüssel getrockneter mungbohnen. ich träume: etwas, an das ich mich nicht mehr erinnern kann, und wache mit einem satz in neonschrift vor meinem inneren auge auf, und der satz lautet: frittieren gegen den willen ist ein verbrechen.
eines schneeumwehten winterabends, wir hatten gerade das naturkundemuseum verlassen, in dem wir uns das walgerippe ansahen, den korallenraum und einige in formaldehyd eingelegte fische, wobei wir uns kurz an den namen des albernen künstlers zu erinnern versuchten, der so etwas auch mal gemacht hatte – sein name ist damien hirst, und das video »do it« ist sein einziges okayes, weil informatives, werk –, eines schneeumwehten winterabends also, wir hatten das naturkundemuseum gerade verlassen, zu unserer linken ließen wir auch die schlittschuhbahn zurück, auf der die kinder von kensington herumglitten – erinnerung an die eisdisko im sportparadies, zwölfsein, coca-cola aus dem pepsi-pappbecher trinken, das essence-lipgloss bleibt am becherrand kleben, es läuft ein cover von alice coopers »poison« oder eine andere discofox-kompatible musik, und man spielt und rennt und ist gerade so noch ein kind und schaut verstohlen süßen jungs zu, die unweigerlich irgendwelche sprünge versuchen und nur im t-shirt fahren, weil sie keine kälte spüren dürfen, süße jungs mit tauben gliedmaßen, und damals diese alles verschlingende weil berechtigte furcht, man könnte hinfallen und jemand könnte über die eigenen hände, die man zum abstützen aufs eis legte, fahren, und übrig blieben acht stummel und zwei daumen –, die schlittschuhfahrenden kinder von kensington ließen wir also links hinter uns zurück und etwas später, rechterhand, sahen wir sie dann endlich, die nylonbestrumpften (kein schwäche zeigen!) girls in der mit roter samtkordel markierten queue vorm seiteneingang von harvey nichols, wie sie darauf warteten, endlich auch mal einen blick auf die neue fenty-kollektion zu werfen, sie wollten lipgloss, und sie waren bereit, opfer dafür zu bringen, wenn es nur ein umwerfender lipgloss ist, und recht haben sie. mein vater, wie er ohne anflug von ironie sagt, anstehen für brot hat sich jedes mal so angefühlt, als würde es nie vorbeigehen, als würde man immer weiter warten, auf ewig, bis man in der schlange stürbe, mein vater das kind, wie er beim schlangestehen erstmals mit derjenigen existenziellen angst in berührung kam, die sogar auf englisch angst heißt, mein vater und seine wut, wenn wieder mal ein rentner vordrängelt im supermarkt, und wie er ohne anflug von ironie sagt, die sind gestresst, weil sie bald sterben, deswegen sind alte leute so rücksichtslos, und ich sage, nicht alle, und mein vater erwidert sehr ernsthaft, ja, natürlich sind nicht alle so, es gibt auch ein paar gute.
winter, obwohl die lerchen in den bäumen sitzen. in großbritannien zieht die lerche nicht in den süden, weil hier kein schnee lange liegen bleibt. snežana, die schneeige, achtzehnjährig »immer noch sturm« lesen und die augen aufreißen und sich freuen, weil auch das ein theaterstück sein kann, achtjährig von der inselgruppe bora bora hören und der festen, von keinem faktum berührbaren, geradezu innerlichen überzeugung sein, sie müsse in der arktis liegen, weil bora auf albanisch der schnee heißt, bloß dass schnee weiblich ist. das periodisch wiederkehrende gefühl, ein erschöpfter flöz zu sein. von der mauer des arsenal-fanshops unter den hochbahnbögen aus wacht mesut özil über mich, wie nur ein gelsen-boy über ein gelsen-girl wachen kann. mein mittlerweile nicht mehr wiederkehrender alptraum: ich stehe im labor und muss pipettieren, immer weiter pipettieren, es gibt keine stühle in diesem labor, ich pipettiere, und nichts kann dieses chemiepraktikum beenden, nicht einmal der tod, ich pipettiere in eine bürette hinein und hinein, o süßer tod, ich pipettiere in hohlkörper, deren namen ich nicht kenne, die mich nicht betreffen, und meine partnerin notiert, hinter ihrer schutzbrille sammeln sich die schweißtropfen wie kondenswasser, doch sie wird nicht darin ertrinken, es gibt keine erlösung, es gibt nur sie, die schweigende, und mich, mit meiner pipette.
can und ich im barbican, ich habe das hauptgebäude über eine brücke erreicht, die eine leere, offene etage ist in so einem wunderbaren wohnklotz, aus einer zeit, in der noch utopien für das leben in den städten geschmiedet wurden. ich also, über die brücke, über das wasser hinein ins gebäude und hole can, der auf der anderen seite, am vordereingang steht. das barbican überhaupt an und für sich auch so eine utopie – seltsam, das ist eigentlich ein wort, das ich nie benutze –, die utopie wird auf jeden fall am kacken gehalten von den vielen umsatzstarken restaurants und bars (osteria barbican, martini bar, v.i.p. bar, barbican kitchen) in ihrem inneren. wir haben natürlich versäumt, karten zu kaufen, die basquiat-ausstellung ist voll, ich denke daran, wie ich vor vielleicht zwei jahren das erste mal von dieser person namens basquiat höre, und ihn zuhause google und die schädel und buchstaben anstarre – die ausstellung wird unter anderem vom »internet-versandhaus für luxuskleidung« (wikipedia) net-a-porter mitfinanziert, wie ja zum beispiel auch die tate late night sponsored by uniqlo ist, zufälligerweise einer meiner lieblingsbekleidungsmarken.
can und ich also im barbican, und ich bestehe darauf, ins conservatory zu gehen, das natürlich zu hat, aber man kann es sich durch eine glasscheibe angucken, wir laufen durch leere, abgedunkelte korridore, die palmen und bäume und das ganze leuchtende buschwerk im blick, in unregelmäßigen abständen sitzen auf den wie in alkoven gerückten bänken pärchen, die man natürlich stört, wenn man hier so langläuft, und can und ich denken das gleiche, dass das nämlich ein hervorragender platz für ein zweites oder drittes date wäre, wenn man jemand ist, der auf dates geht.
alkove ist einer der wenigen begriffe, zu dem es in vielen verschiedenen sprachen einen wikipediaeintrag gibt, auf englisch aber nicht. diese sprachen sind, unter anderem: deutsch, französisch, arabisch, russisch, estnisch, portugiesisch, koreanisch, und die plansprache ido, die von louis couturat und louis de beaufront als eine logischere weiterentwicklung des esperanto geschaffen wurde und die darüber hinaus auf diakritische zeichen verzichtet.