diesen monat hab ich ein gedicht geschrieben:
for most people saving
is a way of spending the hyperweekend
as a comment on the weekend itself
sunlight is said to
be the best of disinfectants
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sonntags fahren die jungen ihre mountainbikes über den gehsteig, und ihre rehbraunen kleider flattern im wind. beunruhigend große eichhörnchen lauern am boden zwischen den bäumen. am vorabend studierten einige barfüßige partygirls das angebot bei mcdonald’s, ihre schuhe an den hohen hacken um ihre rechten arme gehängt.
in brighton füttert philipp den daddelautomaten am pier mit 2p-münzen. als wir das festzelt später verlassen, geht die welt unter. der sturm, der in diesem moment im begriff ist, irland und die walisische küste zu verwüsten, führt sand aus der sahara mit sich und die fruchtbare asche vergangener waldbrände, wie wir einem gespräch zwischen einem bettler und einem bauarbeiter entnehmen. deshalb ist der himmel rot verdunkelt, deshalb droht die sonne. über dem meer türmen sich anthrazitfarbene wolken. als meine freundin gianna noch meteorologie studierte, reckte sie jeden morgen den kopf aus dem küchenfenster unserer gemeinsamen dachgeschosswohnung und nannte die himmelsformationen bei ihren namen, die ich mittlerweile vergessen habe.
alle nennen alle darlin und dear und love, manchmal sogar son. die wenigen briten an der uni erkennt man an details: winzige chipstüten, nackte beine. vor ein paar tagen noch zu dritt mit einer flasche sekt die oxford street heruntergetorkelt, heute das, und im bus das trügerische gefühl relativer sicherheit.
die kleinen geschäfte in den stadtteilzentren, die aufgebrezelten feierabendfrauen, die parks, die keinem wald ähneln wollen, die nachlässig zwischen die masten gehängten stromkabel in den wohnvierteln, der niedrige wasserdruck in den leitungen der gebäude, all das erinnert mich an tirana, was ich natürlich über jeden fremden ort sage, von wien bis karlsbad, von tallinn bis istanbul, und ich weiß mittlerweile auch, wieso: deutschland ist die anomalie, und alle anderen orte scheinen einen gemeinsamen unordentlichen fixpunkt zu haben, den ich tirana nenne, weil ich tirana nun mal kenne. heine schreibt: »ich bin in bayern preuße geworden.« ich hab seit wochen richtig lust, was zu recyceln. wann immer theresa may eine rede hält, spüre ich etwas weiches in meiner brust verknorpeln und denke: hard brexit! no negotiations beforehand! no participation in the single market!
auf der straße vorm bordstein steht in weißer farbe look left, oder look right. manchmal steht da – danke für nichts – look both ways. aus einem wohnungsfenster hängt eine gigantische eu-fahne.
im außenbereich der parkgastronomie ist die killer pigeon unterwegs. wir stammgäste kennen und fürchten sie. sie ist einäugig, schwer lädiert, furchtlos; sie setzt sich auf deinen tisch und flieht nie. eines tages beobachte ich einen vater, der seinem sohn wohl eine lektion in sachen menschlichkeit erteilen will. obwohl ich die taube gerade erst halb gewaltsam vertrieben habe, wirft der ihr in – so glaubt er – sicherer distanz ein paar körner hin. wenig später setzt sie sich auf seinen teller. tja, denke ich, tja. auf türkisch nennt der vater das kind cenk, auf englisch jack. ich kollabiere.
morgens höre ich durchs offene fenster die möwen kreischen. abends sitzen wir mit einer dose pampelmusenlimonade auf den stufen vor dem haus, und alles fühlt sich genau so maritim an, wie man es von einer insel erwartet. mein nachbar paolo trägt zu hause hauptsächlich seinen pikachu-onesie, meine nachbarin aurelie glüht freitags mit ihren girls vor, gegen zwei hört man sie sich dann die treppe hochschleppen. in den anmeldeinformationen für career-veranstaltungen der uni steht: dresscode business casual. please don’t make us turn you away at the door.
seit wochen schmerzt mein rechter arm. es liegt am lesen, am lesen-und-wiederschreiben. jedes mal, wenn ich vom papier ablasse, hebt sich der schreibtisch ein stück, als atme er unter der verebbenden last auf. ich übe druck aus, präge worte wie münzen, verleibe mir den text ein, den ich sonst veräußere, schreibe punchlines ab, wort für wort und setze sie handschriftlich neben genau diejenige stelle, an der sie abgedruckt sind. es sind unbekannte vokabeln, fremde sinnzusammenhänge, und ich muss sie erst fressen, bevor ich sie spucken kann.
beim schreiben tippe ich, das geht schneller, man kann vorgehen und zurück und kopieren und löschen. beim schreiben geht es um geschwindigkeit, weil der text im kopf dem text auf dem bildschirm immer ein paar schritte voraus ist, beim schreiben stolpert es vorwärts aus mir und ich schubs es noch den halben meter. es ist wie mit gertrude steins landschaftstheater, ein unwohlsein, das in der ungleichheit zwischen dem, was ich denke, und dem, was ich auf der weißen fläche sehe, begründet liegt, und schreiben, das immer auch löschen bedeutet, die einzige linderung.