Am 8. Mai jährt sich der Sieg über die Wehrmacht. Dieses Datum zu feiern, ist in Österreich eine Ansage gegen die Rechtsextremen, die ausgerechnet an diesem Tag, da das Massenmorden endlich vorbei und der Nationalsozialismus bezwungen war, lieber trauern und die Toten beweinen wollen. Wer der Gefallenen allerdings ohne Ressentiments gedenken möchte, wird wohl eher den Ausbruch und nicht den Ausgang dieses Krieges beklagen.
Dieser 8. Mai ist hingegen anders. Heute freue ich mich nicht nur über das damalige Ende von Nazismus und Faschismus, das den Anfang für ein neues Österreich, ein demokratisches Deutschland, ein unabhängiges Italien, ein souveränes Frankreich und ein in Freiheit vereintes Europa bereitete. An diesem 8. Mai atme ich durch, weil gestern die Franzosen ihre Stimme mehrheitlich gegen die Scharfmacher und gegen die Hetze abgaben. Der Triumph über jene, die gegen die offene Gesellschaft, gegen die liberale Demokratie und gegen ein friedliches Europa mobil machen, war eindeutig. Ich atme durch, weil nach Brexit und nach den amerikanischen Wahlen niemand mehr sicher sein konnte, ob nicht auch in Paris die Politik des rassistischen Populismus, der die grundsätzliche Verlogenheit zur neuen Wahrheit erklären will, Erfolg haben könnte.
Manche meinen, Emmanuel Macron, der Kandidat der demokratischen Allianz, biete in Wirklichkeit keinen radikalen Neubeginn für die Gesellschaft. Einige meiner strikt unorthodoxen Freunde lamentieren, wie schwer es ihnen nun falle, sich über den Sieg dieses Strahlemannes zu freuen. Das sei ja gewesen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wie merkwürdig: 2002, als es noch gegen Le Pen senior ging, erhielt Jacques Chirac mehr als 82 Prozent der abgegebenen Stimmen. Wer beschwerte sich damals darüber, als es hieß, eine Stimme gegen den Front National abzugeben und sich mit den demokratischen Fraktionen zu freuen? War Chirac etwa der Hoffnungsträger einer neuen Revolution? Wohl kaum.
Warum, fragen viele, sollen wir uns immer nur mit dem kleineren Übel zufrieden geben? Wer so redet, tut so, als wäre die Demokratie nicht prinzipiell immer schon das kleinere Übel gewesen. Jede Stichwahl kann nicht mehr sein als die Auswahl eines der beiden vorgegebenen Kandidaten. Wer höhere Auserwähltheit sucht, will noch an Gottesgnadentum, an Vorsehung oder Personenkult glauben.
Es ging an diesem 7. Mai nicht nur um den Élysée-Palast und nicht nur um eine Nation, sondern um den Zusammenhalt der Europäischen Union, ja, um die Frage, ob ein Leben in Vielfalt und jenseits der nationalistischen Angstmache hier eine Zukunft hat. Der Wahltag in Frankreich und jener am 4. Dezember des letzten Jahres in Österreich, an dem Alexander Van der Bellen gewählt wurde, hängen deshalb zusammen.
An diesem 8. Mai atme ich durch, weil einem nach dem Wahlkampf nicht die Luft ausgehen sollte. Die Auseinandersetzung mit den rechtsextremen Populisten ist keine um einige Prozentpunkte, sondern eine, bei der es ums Ganze geht. Die Frage wird sein, wie sich endlich wieder neue Visionen für ein soziales und gemeinsames Europa entwerfen lassen, die durchaus im demokratischen Wettstreit die Gesellschaft zu begeistern imstande sind?