Die meisten Menschen in meiner Umgebung sorgen sich nicht sehr um ihren Platz im Paradies, sondern eher darum, ob sie heute noch eine Parklücke für ihr Auto finden, aber für die drei Weltreligionen ist der Zutritt zum Garten Eden von zentraler Bedeutung. Die Vorstellungen jedoch, die sie davon haben, könnten widersprüchlicher nicht sein.
Im Christentum ist es etwa so: Wenn Adolf Hitler einige Minuten vor seinem Tod und nachdem er Abermillionen Menschen hatte ermorden lassen aus tiefstem Herzen, vor Gott und vor seinem Gewissen bereut hätte, dann wäre das Himmelreich sein. Seine Seele wäre gerettet, denn Jesus starb, heißt es, für aller Menschen Sünden am Kreuz. Sollte hingegen Hans Müller von Stiege zwei bis zu seinem letzten Atemzug überzeugt sein, das Beste, was ihm je widerfahren ist, sei der außereheliche Sex mit der Nachbarin aus dem ersten Stock gewesen, ist er des Teufels. Ja, schon allein das jeweilige Kondom, das er sich jedes Mal überstreifte, besiegelte seine Verdammnis.
Ganz anders im Islam: Hier mag einer in seinem Leben die Ehe gebrochen, Alkohol getrunken und Schweinefleisch verzehrt haben, wenn er jedoch nach all diesen Sünden im Namen Allahs dem Dschihad nachgeht, und das kann je nach Auslegung ganz Verschiedenes bedeuten, etwa sich ganz besonders für das Gute anzustrengen oder sich für Andere aufzuopfern, kann aber nach dschihadistischer Lesart auch heißen, so vielen Ungläubigen wie möglich den Kopf abzuschneiden –, dann ist ihm das Paradies sicher.
Gemäß der jüdischen Religion hingegen mag einer die koscheren Gebote brechen, Schweinefleisch essen, den Schabbat und Yom Kippur missachten, statt dessen Christus preisen, Mohamed verehren und nie zum Gott Israels beten, der Garten Eden steht ihm dennoch offen – es sei denn, er ist Jude. Die Gesetze der Thora müssen nämlich nur Juden, nicht jedoch die Menschen anderen Glaubens einhalten. Für Nichjuden gelten allenfalls die sieben noachidischen Gebote, also das Verbot von Mord, Diebstahl, Ehebruch, Gotteslästerung und noch so paar Kleinigkeiten. Ein Ungläubiger, der diesen Regeln gehorcht, ist schon ein Zaddik, ein Gerechter. Er muss nicht einmal an Gott glauben. Im Christentum ist es umgekehrt. Das Credo ist das eigentliche Ticket für den Himmel.
So unterschiedlich die Regelungen auch sind, ihre Vorstellungen von den jeweiligen Einlassbedingungen für den Garten Eden klingen für jene, die an ein höheres Wesen partout nicht glauben können, ziemlich merkwürdig. Gewiss; es braucht nicht unbedingt Religionen, um irrational zu sein. Atheisten schaffen das ganz gut auch ohne Gott. Aber der wahre Glaube kann einem dabei helfen. Wenn das kein Trost ist …
Es geht nicht darum, zu entscheiden, welches Himmelsreich das bessere ist. Der Hohn über den jeweils Anderen ist die eigentliche Hölle. Nur eines ist klar, zumal in Zeiten, da in manchen Ländern der Witz über Gott mit Haft oder gar mit Hinrichtung geahndet wird: Es gibt kein Elysium ohne Humor und Selbstironie. Das ist noch immer die beste Waffe gegen Fundamentalismus.