Bisher lachte ich lieber über den Gott meiner eigenen Religionsgemeinschaft als über den anderer. Umso wichtiger, jetzt die Meinungsfreiheit zu verteidigen angesichts der dschihadistischen Mordbanden. Über Gott und seine Propheten zu lachen, ist die Grundlage der Aufklärung. Das hat mit antimuslimischem Ressentiment nichts zu tun. Im Gegenteil: Wer jetzt nicht Flagge gegen den Dschihadismus zeigt, lässt all jene Muslime im Stich, die seine allerersten Opfer sind.
Die Mörder in Paris gingen gezielt und eiskalt vor. Gerade deshalb muss in der hitzigen Debatte und im Kampf gegen den Terrorismus zwischen Islamophobie und Anti-Islamismus unterschieden werden. Den Islam schlechthin mit dem Dschihadismus gleichzusetzen, ist genauso fatal, wie zu behaupten, die Mordanschläge in Europa und im Rest der Welt hätten mit Islam rein gar nichts zu tun.
Saudi-Arabien, das den Anschlag von Paris verurteilte, da er »gegen den wahren Islam« verstoße, ließ diesen Freitag den Blogger Raif Badawi öffentlich auspeitschen, weil er den Islam beleidigt habe. Insgesamt ist er in den nächsten 20 Wochen zu 1000 Peitschenschlägen verurteilt – was einem Todesurteil auf Raten gleichkommt. In Wien, wo ich lebe und schreibe, betreibt indes die Regierung ein interreligiöses Dialogzentrum, das ausgerechnet mit saudischen Geldern finanziert und nach dem herrschenden König Abdullah benannt ist. Wir sind Zeugen einer Praxis, die mit islamistischen Ländern Geschäfte macht, um bei anderer Gelegenheit pauschal die Vorurteile gegen heimische Muslime zu schüren.
Was vergangenen Freitag in einem koscheren Supermarkt in Paris geschah, beweist, wie sinnlos es ist, sich in kulturalistische Debatten zu verrennen. Die Juden, die hier einkauften, starben nicht, weil sie Karikaturisten waren. Auch nicht, weil sie blasphemisch waren oder politisch korrekt. Sie waren vier jüdische Männer, die vor dem Schabbat für ihre Familien einkauften. Einen davon traf eine Bekannte von mir noch am Mittwoch letzter Woche auf einem Flug von Tel Aviv nach Paris. Alle vier wurden allein ihrer Herkunft wegen getötet, aus dem einzigen Grund, weil Amedy Coulibaly, ihr in Frankreich geborener Mörder, ein Antisemit war. Bei derselben Geiselnahme konnten mehrere Kunden ihr Leben retten, weil sie von Lassana Bathily, einem muslimischen Angestellten, der einst illegal aus Mali nach Frankreich gekommen war, im Kühlraum des Supermarkts versteckt wurden. Auch der Leiter der letzten polizeilichen Befreiungsaktion war Muslim.
Der islamistische Terrorismus führt Krieg gegen die freie Gesellschaft. Weder das Ressentiment noch die Leugnung des Konflikts helfen uns weiter. Es gilt, den Dschihadismus zu bekämpfen. Polizeilich, politisch, künstlerisch – wo nötig militärisch. Es gilt, die Freiheit zu verteidigen, indem sie eben nicht preisgegeben wird. Das ist kein »Kampf der Kulturen«, der das Abendland von allen Moslems trennt, und er darf es auch nicht werden, denn würden wir uns ihm hingeben, hätten wir schon verloren – und zwar alles, worum es uns geht und was wir sind.