Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fussball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
Meine Mutter lag im Bett in ihrem Zimmer im Pflegeheim. Sie hatte an diesem Nachmittag fast die ganze Zeit geschwiegen. Ihr Kurzzeitgedächtnis funktioniert auch nicht mehr gut, vor allem um Weihnachten herum. An Sachen von früher erinnert sie sich aber; an die Gewerkschaftsjugend oder einen Ausflug mit der Kassenärztlichen Vereinigung und solche Sachen. Es war ganz still, und während sie im Bett lag und döste, blätterte ich in alten Fotoalben.
Das war 1963; viele Kleider hatte sie noch selber genäht.
Da warten wir auf Papi, der auf Kur war, steht unter dem Foto. Die anderen hatten immer »Papa« gesagt; bei uns hieß es »Papi«.
Hier sitzt mein Vater im Möbelwagen. Mein Onkel sieht flott aus. Mein Opa. Onkel Arthur, Reinhard, bei dem ich als Kind oft mitfuhr, wenn er die Möbelwagen auf dem großen Parkplatz rangierte. Mit Reinhard im Möbelwagen mitzufahren war das Schönste, einmal hatte ich mich beim Radfahren sehr an der Hand verletzt und die blutende Hand versteckt, um nicht darauf verzichten zu müssen. Ganz links mein Patenonkel Gerhard.
Nachdem, Anfang der 70er glaube ich, aufgedeckt wurde, dass mein Onkel entführt werden sollte, wurden wir angehalten, niemandem mehr zu erzählen, dass wir mit Kraft verwandt sind.
Das Foto fand sich irgendwo in dem Haus in Röntgental, in dem mein Vater groß wurde. Was sie machten, wer sie waren, weiß ich nicht. Nur die Namen von denen, die oben stehen: Margarete, Wilhelm, Herrmann, Gustav und Emma Kuhlbrodt.
Das Grab von Almut Klotz-Dabeler auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof.
Die Abteilung für Sternenkinder.
Dann war es schon spät und ein paar Tage dann Winter.