Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fussball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
Beim Einschlafen denke ich daran, wie Rutschky mehrmals zu mir gesagt hatte: »Sie brauchen einen Hund, besorgen Sie sich einen Hund. Gehen Sie zu Hundezüchtern, sprechen Sie mit Hundezüchtern. Das sind interessante Menschen.« Und wie ich geantwortet hatte, dass ich kein Geld hätte und dass vor allem meine Wohnung viel zu klein für einen Hund ist. Und wie ich am Nachmittag des vierten Dezember das Eichhörnchen zum ersten Mal gesehen hatte. Nachdem es eine Weile meinen Balkon besichtigt hatte, hatte es angefangen, in einem der Blumenkästen ein Nest zu bauen.
Danach sah ich es öfter, meist am späten Vormittag, meist um halb zwölf. Ich begann, ihm Essen hinzulegen. Alte Äpfel zum Beispiel oder Wurzeln, aber die zwei Walnüsse, die ich ihm jeden Tag hinlegte, mochte es am liebsten.
Ich wollte ihm nicht zu viel geben, damit es nicht verlernt, sich ganz normal Essen zu besorgen. Nachdem David Bowie gestorben war, nannte ich es David Bowie, und irgendwann hatte ich es zu einem kleinen Kunststück verleitet, das ihm selber aber, glaube ich, auch gefiel. Es hangelte sich an meiner Wäscheleine bis zu dem Blumentopf, der an der Wäscheleine hing und in den ich eine Walnuss gelegt hatte. Mit den Hinterbeinen hielt es sich an der Wäscheleine fest, mit den Vorderpfoten nahm es, huschdiwusch, die Walnuss.
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Irgendwie hatte es ergreifend ausgesehen, und ich war stolz, mit David Bowie befreundet zu sein.
Es führte das Kunststück aber nur auf, wenn ich zuschaute; wenn ich weg gewesen war, blieb die Walnuss unangetastet.
Und nun überlegte ich mir, wie ich mich am besten mit dem Eichhörnchen befreunden könnte und ob das möglich wäre: sich mit David Bowie so ähnlich wie mit einem Hund anzufreunden.
Ich wollte die Tiere des Waldes zu meinen Freunden gewinnen. Die Tiere des Waldes würden mir helfen.
Manchmal sah es mir auch beim Schreiben zu.
Und später, bei Netto-mit-Hund, erlebte ich weitere Abenteuer.