Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fussball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
So gehen die Tage vorbei. Die meiste Zeit sitze ich am Schreibtisch, vier Stunden am Vormittag; dann Essen in der Kantine der taz. Zeitung lesen. Manchmal treff ich Kollegen, es geht darum, was in der Welt los ist, wie das Essen schmeckt oder ob die Zeitung die Kunst-am-Bau, die am taz-Gebäude hängt, das Penis-Kunstwerk, das mittlerweile zu einer Touristenattraktion geworden ist, beim Umzug in drei oder vier Jahren nun mitnehmen muss oder nicht oder ob der nächste Mieter des Hauses das Kunstwerk behalten muss.
Dann der Weg zurück, durch die Friedrichstraße. Bei Kaiser’s zwei Bier und eine Flasche Spreequell aktiv. Oft geh ich in diesen Kaiser’s nur, um den Motzverkäufer zu grüßen, der fast jeden Tag hier steht, seit ein paar Jahren. Er ist glaube ich aus Rumänien und hat ein schönes Lächeln, das er einem auch schenkt, wenn man ihm nichts gibt. Manchmal eine kurze Sequenz schöner Gesten und Mimiken.
Einmal sah ich ihn auch morgens um acht gleich bei der Geschäftsstelle der Obdachlosenzeitung Motz, wo er sich die Zeitungen für seinen Arbeitstag abholte, aber da erkannte er mich nicht.
Den Rest des Tages bis zwölf meist dann wieder am Schreibtisch, im schönen Wind des Tischventilators, während die Sonne vom Balkon aus von links ins Zimmer scheint. Bzw. auf die heruntergelassenen schwarzen Jalousien. Oder Lesen auf dem Sofa, Karl Ove Knausgard – Spielen. Internet.
Abendschau, manchmal Tagesschau. Manchmal Spaziergänge, Billard, Fußball. Rauchen. Seitdem ich schreibe, stelle ich mir vor, ich müsste ganz anders schreiben. Das schreibt sich so dahin; was daran stimmt ist, dass mir mein eigenes Ich im Text immer beschränkter vorkommt, wie die Maus in der Kafka-Geschichte; ich sehne mich nach andren Formen. Was früher noch in kleinen Texten ging, geht jetzt nicht mehr.
Die meiste Zeit arbeite ich an einer anderen Geschichte. Allmählich werden die Dinge deutlicher. Alles sollte noch in die Wege geleitet werden. In diesem Sommer. Am besten.