Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fußball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
Erst war man ein bisschen in Sorge, weil der Platz so hart war wie der Schulhof, auf dem wir manchmal schon eine Stunde vor Schulbeginn mit Tennisball und eisernen Papierkörben gespielt hatten. Dann ging es doch. Vielleicht hatte man einen kleinen Vorteil, weil man einen leichteren Körper hatte als die anderen und bei schwierigen Platzverhältnissen demzufolge wendiger war. Aber stimmt das denn überhaupt? Müssten nicht gerade schwerere Leute auf hartem Boden einen besseren Stand haben? – Keine Ahnung.
Dass wir körperloser spielten, kam mir entgegen; danach fühlte ich mich super. Erst einen Tag später bemerkte ich, dass leider wohl mein großer Zeh kaputt gegangen war. Verstaucht vermutlich, und ich dachte an den schönen Aufsatz von Georges Bataille über den großen Zeh.
Lieblingsauto. Lieblingsfarbe.
Wahrscheinlich war das Eichhörnchen doch keine Reinkarnation von David Bowie. Dass es weiblich war, sprach nicht dagegen, aber es war doch schon vor einem Jahr zum ersten Mal auf meinem Balkon gewesen. Zumindest hatte ich es vor einem Jahr zum ersten Mal fotografiert. Und dann wieder vergessen.
Unter den Kastanien vor dem Haus lagen Walnussschalen. Die Erdnüsse aß es meist auf dem Balkon; die Walnüsse nahm es mit zu den Bäumen. »Klein ist das Eichhörnchen. Aber es ist kein Sklave des Elefanten«, sagt man in Nigeria, weiß das Internet.
Spielplatz bei der Heilig Kreuz-Passionskirche.
Friedrich Hebbel hat drei Jahre aufs Engste mit einem Eichhörnchen zusammengelebt, und auch darüber geschrieben: In Tagebücher in drei Bänden, Bd.3, 1848-1863, dtv. 1966 Sein Eichhörnchen hieß nicht David Bowie, sondern »Herzi«, »Lampi« bzw. »Schatzi« und saß dabei, während er schrieb.
Bommi Baumann starb letzten Dienstag. Wenn er in Form war, war er ein großer, unheimlich lustiger Erzähler gewesen. Wir hatten am gleichen Tag Geburtstag. In dieser Zeit – um 1998 – hatten wir uns oft getroffen, weil wir an einem Buch gearbeitet hatten, aber dann war es leider doch nichts geworden.
»Ich hab mal Bommi Baumann kennen gelernt und ihm gesagt, er wäre früher mein Idol gewesen, so als Haschrebell. Weisst du, was der mir geantwortet hat? ›Ach vergiss es. Ich hab mich immer in frühere Zeiten gewünscht. Ich wäre viel lieber 1954 dabei gewesen, als sie beim Bill-Haley-Konzert den Sportpalast zertrümmerten, als in den Scheiß-60er-Jahren mit diesen SDS-Typen.« (sagt Reverend Christian Dabeler in dem gerade erschienenen Buch Fenderfotzenschweine von Almut Klotz)