Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fussball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
Drei oder vier Jahre steht das verlassene Fahrrad schon da. Ich mag es sehr gerne; mir tut es ein bisschen leid.
Besonders gut gefallen mir diese bonbonhaften Attribute am Vorderreifen, die doch darauf hindeuten, dass die Besitzerin es irgendwann einmal sehr gerne hatte. Als mein Fahrrad vor ein paar Wochen geklaut wurde, hatte ich überlegt, mir irgendwo einen Bolzenschneider zu borgen und dieses Rad dann zu klauen. Doch dann tauchte mein Fahrrad plötzlich wieder auf, bei einem Fahrradladen in der Nähe. Die Leute von dem Fahrradladen waren sehr nett, ich gab ihnen Geld; sie reparierten mein Rad, das schon ziemlich heruntergekommen war. Und nun ist alles fast wieder genauso wie vor zehn Jahren.
Diese Spiegelung kommt mir immer noch irgendwie mysteriös vor, obwohl es ja sicher ganz einfach zu erklären ist.
Auf dem Weg zum Fußball dachte ich an Alex Kögler, den einstigen Betreiber des Risiko, der wichtigsten Szenekneipe, Absturzladen des alten West-Berlin. Ganz stolz war ich darauf, als Neu-West-Berliner, Mitte der 80er Jahre, in der berühmten Kneipe zugelassen zu sein. Alex war ein Star; ich seh‘ ihn noch in meinem Kopf, wie er hinter dem Tresen stand und dauernd Bierflaschen zerdepperte. Das Risiko war exzessiv und gefährlich. Dass so viele auf Speed waren, war mir damals gar nicht klargewesen. Manchmal bin ich auch um sechs Uhr morgens dort hingegangen, um zwischen den Leuten, die die ganze Nacht hier gewesen waren, einen Kaffee vor der Arbeit in der Pizzafabrik zu trinken.
Die Nachrufe auf Alex, von Nick Cave, Françoise Cactus, Kristof Hahn und Oliver Koerner von Gustorf, sind gleichzeitig auch sehr schöne, ehrliche Texte über die 80er-Jahre-Subkultur des alten West-Berlin.
Und plötzlich stand da ein Fuchs. Ich sah ihn und blieb stehen, der Fuchs setzte sich. So standen wir eine Weile. Und nahmen den jeweils anderen auf unterschiedliche Weise wahr.
Als ich ihn mit Blitz fotografierte, lief er nur ein paar Meter weiter, als wollte er mich irgendwo hinführen. Ein paar Minuten stand ich in seiner Nähe; er ging dann zum Ufer und ich wieder nach Hause.