Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fussball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
Dann hatten wir es doch geschafft. Es war morgens, und wir standen am Bahnhof Gesundbrunnen. Das Wetter war wunderschön. Sugii wunderte sich, dass der Taschendieb rosa war. Es müsste doch umgekehrt sein. Umgekehrt wäre es doch viel deutlicher.
In der Bahn kamen wir ins Gespräch mit einem jungen Mann. Erst hatte er sich mein Handy ausgeliehen, um seine Mutter anzurufen, dann erzählte er uns alles über den Spreewald. Das war seine Heimat, die liebte er sehr. Er stammte aus einer Kahnfahrerfamilie. Viele Leute ziehen weg, immer mehr Touristen kommen. Er erzählte von einzelnen Veranstaltungen und was man sich anschauen sollte und dass er in den Ferien auch einmal als Schleuser gearbeitet und bei der Schleuse draußen geschlafen hatte. Wer eine Nacht allein im Spreewald verbringt, hat keine Angst mehr vor Tod und Teufel. Und: Wir sollten lieber die Gurken in Plastikeimerchen kaufen; die seien frischer als die aus Gläsern. Und: Der Bootsverleih Hannemann sei sehr zu empfehlen.
Wir glitten über das Wasser drei Stunden; wir tranken ein Bier auf der Halbinsel Kamtschatka. Es war wunderschön.
Sie kannte Lübbenau und war oft mit ihrem Mann hier gewesen. Sie hatte die Stadt ins Herz geschlossen. Aber sie waren nicht Boot gefahren, aus Angst, die kleine Tochter könnte ins Wasser fallen.
Als wir vor mehr als zehn Jahren zusammengewohnt hatten, hatte sie noch Sukhee geheißen. Als sie Mutter wurde, hatte sich ihr Name geändert; nun hieß sie Sugii. Wir hatten es erst für einen Kosenamen gehalten, und es dauerte eine Weile, bis wir uns an ihren neuen Namen gewöhnt hatten.
Zum Abschied aßen wir Buuz (mongolische Teigtaschen) zusammen, und am nächsten Abend rief sie noch einmal an. In dem Buch, dass ich ihr geschenkt hatte, stand, ich sei 1961 geboren. Das konnte nicht sein. Sie war immer davon ausgegangen, dass ich Jahrgang 1971 bin. Sie fragte, ob ich den Leuten vom Verlag aus Spaß erzählt hatte, ich sei 1961 geboren. Ich sagte »Nein«. Sie war ganz verwirrt und verabschiedete sich mit »Okay, tschüüüss«, und wenig später saß sie dann wieder im Flugzeug nach Ulaanbaatar.