Vielleicht später ist sozusagen ein defensives Mañana. Ein thematisch offenes Blog in der Jetztzeit mit Fotos, ein Versuch, in der Gegenwart zu schreiben. Die Gegenwart ist Berlin. Die Wege und Wände meist die gleichen wie in Umsonst & draußen. Vieles ist anders. Leute kommen vorbei. Die Fussball-WM, die wie Weihnachten oder Geburtstag immer zu früh kommt. An den Wänden gibt es Zeichen. Oder auf dem Boden. Wie in jedem Tagebuch geht es darum, sich selbst und die Welt im Blick des Anderen zu ordnen. In der Gegenwart. »Kommst du?« – »Vielleicht später«.
Sie war völlig durch den Wind gewesen. Erst hatte sie das Hotel nicht gefunden, und dann kam sie ins Zimmer und wollte schlafen, aber wusste nicht, wie sich das Kaminfeuer im Fernsehen ausschalten ließ. Sie drückte vergeblich auf den grünen Strich, der am Fernseher leuchtete und schaltete schließlich den Fernseher aus, indem sie die Magnetkarte, die als Schlüssel und Stromanschalter diente, aus ihrem Schlitz zog, erzählte sie mir aufgeregt beim Frühstück. Wir hatten uns beim Empfang des Goethe-Instituts getroffen; sie hatte gefragt, wie geht’s dir, und ich hatte von meinen sogenannten Beschwerden berichtet, den ergebnislosen Arztbesuchen seit Mai und dass ich ja leider auch keinen Hausarzt habe, mich schutzlos fühle und alles den Bach runter geht. Und sie hatte mir dann ihren Hausarzt empfohlen.
Ich hatte ein paar Tage gezögert und mich selbst beobachtet, bevor ich anrief; am Morgen war ich hingefahren und wieder zurückgefahren, weil ich etwas vergessen hatte, und dann wieder hingefahren. Und hatte mit dem Arzt gesprochen. Und war wieder zurückgefahren und war dann wieder hingefahren, weil ich mein Portemonnaie in der Praxis verloren hatte. Und fühl mich jetzt doch wieder wenigstens ein bisschen geschützter. Er hatte gesagt, ich solle mich nicht zurückziehen. Ich ging spazieren. Über den Friedhof an der Bergmannstraße.
Zum Grab von Harald Fricke. Wie friedlich die beiden Bäume da nebeneinander stehen. Je länger man draufguckt, desto schöner sieht es aus. Vor ein paar Jahren hatte ich noch gedacht, das ginge gar nicht.
Fest der Toten bei G. Sie hatte mich gebeten, auch Fotos meiner Toten mitzubringen. Ich hatte meinen Vater und zwei Freunde mitgebracht. Rechts vom Altar in drei Reihen Fotos von Toten. In der ersten Reihe Bilder von Opfern des Femizids in Mexiko; in der zweiten Reihe Bilder gestorbener Haustiere. In der dritten: tote Freunde und Verwandte.
Am Ende saßen wir im Kreise um den Beistelltisch »Opium«; acht Frauen aus Mexiko, Chile, Kolumbien. Und zwei Männer.
(Vielleicht sah der Beistelltisch auch nur so aus wie der Beistelltisch »Opium«. Dieser Beistelltisch »Opium« ist mir deshalb so gut im Gedächtnis geblieben, weil fast alle drogensüchtigen Freunde von mir in den 90ern einen solchen Tisch hatten)
Alle redeten fröhlich auf Spanisch durcheinander. Wir schauten im Internet lustige lateinamerikanische Shows aus den 1970er und 1980er Jahren. Mit diesen Shows waren die meisten hier aufgewachsen. So wie ich halt mit Time Tunnel aufgewachsen war.
Keller.
Amore, Amore.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.