Umsonst & draußen ist ein Fototagebuch, das wie das gleichnamige Buch Anfang 2006 beginnt. Das Material stammt größtenteils aus dem Blog november07, den Detlef Kuhlbrodt ab Ende 2006 und bis Herbst 2013 für die taz gemacht und für das Logbuch noch einmal durchgesehen, an einigen Stellen gekürzt und an anderen erweitert hat, um das Erzählerische zu betonen. Eigentlich ist Umsonst & draußen eher Fotogeschichte als Tagebuch; die Aufnahmen sind die Umgebung einer nicht erzählten Geschichte. Kuhlbrodt ist losgegangen auf der Suche nach Bildern, die irgendwie zueinanderpassen und dem Tag ein Gesicht geben. Manchmal sind die Helden Fahrräder, manchmal Autos, manchmal gibt es auch Menschen.
Freitag, 01.02.08
Samstag, 02.02.08
Sonntag, 03.02.08
Auf dem Platz vor der Amerika-Gedenkbibliothek spielen seit Jahren Männer aus Südosteuropa Boule.
In der Schleiermacherstraße fiel mir ein, dass Florian Havemann in dieser Straße wohnt. Jedenfalls steht das in seinem Buch. Oder war’s doch Kottbuser Damm? Das Buch gefällt mir jedenfalls sehr gut. Diese theatralische Geste in Havemann, die einige etwas anstrengend finden, ist wahrscheinlich notwendig in so einer Familienautobiografie, die aufs Ganze gehen will.
Eintracht Südring
Das Auto ist immer noch weg. Ich vermisste das Auto. Überall meinte ich, das Auto zu sehen.
Juchhu! da ist es ja wieder!
Nein, doch nicht. Möglicherweise hat es sich auch verkleidet.
Im Club dann.
»Club« hieß das auf französisch, nicht?
Montag, 4.2.08
Sommer!
Die neue Ausgabe war Tags zuvor im Club gefeiert worden.
Orlanda-Frauenbuchladen, Fürbringer Straße
U-Bahnhof Gneisenaustraße
Dienstag, 05.02.08
»Club«, überall »Club«
Freitag, 08.02.08
Samstag, 09.02.08
Cubix beim Alex
In dem Online-Filmmagazin »Manifest« gab es interessante Interviews mit Wakamatsu Koji und Masao Adachi. Julian Coles Dokumentarfilm »With Gilbert & George« über das weltberühmte Künstlerduo, ist ganz prima. In vielem ein positives Gegenstück zu Scoreseses Film über die Rolling Stones. Nicht nur weil die Helden beider Fime etwa gleich alt sind. Es gibt ja Parallelszenen, in denen Politiker in’s Bild kommen: bei den Stones also Clinton, am Rande einer Ausstellung in Peking sprechen Gilbert & George mit dem ehemaligen britischen Premier Edvard Heath, der damals achtzig war und vor zwei Jahren verstarb. Clinton, Scoresese und der Rest der new yorker Highsociety, für die die Stones ein Clubkonzert gaben, waren also von ihnen eingemeindet worden, hatten sich gerne von den Stones eingemeinden lassen als Teil der Family usw. Edward Heath, der die Kunst von Gilbert & George sicher fürchterlich fand, nahm in Peking Repräsentationspflichten wahr. Gilbert & George, die beiden konservativen Anarchisten und Edward Heath, der ehemalige konservatie Premier (1970 bis 1974), kicherten also fast ein wenig, als sie vor etwas mehr als zehn Jahren durch die große G&G-Ausstellung in Peking gingen. Sie waren sich bewusst, Repräsentanten weit voneinander entfernter Planeten zu sein, gänzlich unterschiedliche Wertesysteme zu haben und schienen belustigt über die Rollen, die sie zu spielen hatten und die sie sehr schön spielten.
Schön auch, dass George raucht und Gilbert nicht und dass sie trotzdem seit mehr als 40 Jahren zusammen sind.
Meinst du Alex-Alex oder Alex?
Lindenstraße
Sonntag, 10.02.08
Potsdamer Platz
22:03; niemand mehr da an der Journalistenrezeption.
Mehrmals am Tag mit dem Fahrrad durch diese seltsame Frühlingsluft Richtung Berlinale und zurück geglitten. Die Lampen auf dem Potsdamer Platz sehen von unten so aus wie lustige Gesichter.
Mit einer Flasche »Linée«, dem Energiehausstabilisator von Gerolsteiner, war ich in das CinemaXX-Gebäude gegangen. Vor dem CinemaXX 5 hatten Sandra Prechtl und Sascha Hilpert, die netten Dokumentarfilmer, gestanden.
Montag, 11.02.08
Panne bei der Vorführung.
Der Film der dann kam war von Peter Geyer, hieß „Jesus Christus Erlöser“ und dokumentierte den gleichnamigen Auftritt von Klaus Kinski am 20. November 1971 in der berliner Deutschlandhalle. Ganz großartig!
Dienstag, 12.02.08
Mittwoch, 13.02.08
Kurz hatten wir über das neue Berlinale-Getränk gesprochen, das von weißgekleideten Mitarbeitern umsonst an die Festivalbesucher verschenkt wird. Der Clou dabei: In jedem Getränk ist eine »Geld-zurück-Garantie« und außerdem gibt es pro Flasche 25 Cent Pfand.
Das muss jemand dringend den Flaschensammlern erzählen!
Sie hätten gerade welche gesehen und wollten es gleich weitersagen, hatten die Filmschaffenden gesagt.
Dann musste ich ganz schnell in den neuen Film von Johnnie To gehen und war ein bißchen enttäuscht, dass sie den berühmten Regisseur aus Hongkong nicht kannten.
Leicht melancholisch hatte ich an vielen Johnnie-To-Film-Vorführungen gedacht, die ich in den letzten acht Jahren auf der Berlinale gesehen hatte. Es waren meist sehr festliche, großartige Veranstaltungen am Abend gewesen. Der berühmte Sänger und Schauspieler Andy Lau war 2002 auch einmal da gewesen mit einer in Ostasien berühmten, schönen Schauspielerkollegin. Die beiden Stars waren von meist asiatischen Fans belagert worden. Damals im Delphi dabeigewesen zu sein, war eins meiner schönsten Berlinale-Erlebnisse überhaupt. (gerade hab ich einen ziemlich schönen Andy-Lau-Link mit schönen Fotos und recht seltsamer Musik entdeckt)
Während mich die Stars meiner westlichen Welt nur selten interessiert hatten, hatte ich Stars aus Japan oder Hongkong immer toll gefunden, bestimmt auch, weil die Begeisterung ihrer festlich gekleideten Fans immer so schön gewesen war.
Früher hatte der extrem produktive Johnnie To postmoderne, seltsam romantische, teils großartig choreografierte Gangsterfilme gemacht, die meist in stets ausverkauften Spätvorstellungen des Forums im Delphi gezeigt worden waren. Einige dieser Filme hatten mich damals tatsächlich umgehauen und sprachlos glücklich gemacht.
Nach dem Film hatte ich noch eine Zigarette vor dem Kino geraucht. Ein drahtiger Flaschensammler, schon leicht heruntergekommen, mit blauem Müllsack, war des Wegs gekommen. Zunächst hatte er die Papierkörbe vor dem Kino untersucht und war dann in das Gebäude gegangen, wo er sich vorsichtig den Gerolsteiner-Mitarbeiterinnen genähert und sie wohl darum gebeten hatte, ihm ein leere Flaschen zu überlassen. Sie hatten ihm ein paar gegeben; er hatte nicht locker gelassen. Ein paar Meter von mir entfernt hatte ein Mann nervös geraucht und dabei telefoniert. Kurz danach waren zwei Sicherheitskräfte gekommen und in das Kino gegangen.
In Ulrich Peltzers Roman »Teil der Lösung« wäre die Szene so weitergegangen: die Sicherheitsleute (die bei dem Schriftsteller kräftiger gewesen wären, als in echt) hätten den Flaschensammler aufgefordert, zu gehen und ihn dabei geschubst. Der Flaschensammler hätte angefangen zu krakelen.
Eine neugierige Traube von Zuschauern hätte sich gebildet und dem Ereignis neugierig zugeguckt. Einige der Zuschauer hätten ihr Handy gezückt.
Ein überforderter Sicherheitsmensch hätte dem Flaschensammler auf die Nase gehauen, die Zuschauer angeschnauzt, nicht zu fotografieren. Verstärkung wäre gekommen. Fünf bodygebuildete Securityleute hätten den wild um sich schlagenden Flaschensammler schließlich nach draußen getragen, wo ein Polizeiauto mit Blaulicht den Delinquenten entgegengenommen und weggefahren hätte.
In echt verhielten sich die Sicherheitsleute zivilisiert. Einer von ihnen scherzte mit den Gerolsteinern, der andere sagte entschuldigend zu dem Flaschensammler, ihm sei es ja egal, aber er hätte seine Anweisungen: der Flaschensammler könne also gerne vor dem Kino nach Flaschen suchen; in’s Gebäude dürfe er aber nicht.
In Wirklichkeit war übrigens auch noch ein zweiter, schüchternerer Flaschensammler dabei, der sich aber die ganze Zeit nicht in’s Gebäude getraut hatte.
Donnerstag, 14.02.08
Oft sprechen einen ja Leute an; ist ja super, du bist auf der Berlinale, wie ist es denn, hast du schon tolle Filme gesehen? Peinliche Stille. Was soll man da sagen? Wie soll man Leuten, die die selten Filme gucken, die den Regisseur nicht kennen usw. in kurzen Sätzen erklären, wieso man dies oder das gut findet. Also antworte ich meist: »Ja, ich hab schon gute Filme auf dieser Berlinale gesehen.«
Oder die Leute stellen sich vor, man würde wilde Sachen machen, fragen nach Prominenten oder »den Parties« und man antwortet: »Nö, ich guck Filme, was soll ich da.« Aber zum Empfang des Internationalen Forum des Jungen Films, geh ich dann doch meist & gerne.
Während in den westlichen Filmen immer weniger geraucht wird, raucht man in asiatischen Filmen (in »Sparrows« von Johnnie To, »Night & Day« von Hong Sangsoo, »Kabei« von Yoji Tamada usw.) fleissig weiter; mal elegant, mal bisschen eklig (das Zigarrerauchen im Johnnie To-Film). Wenn neben einem im Kino jemand nach Rauch riecht, freut man sich.
Ansonsten hat das neumodische Rauchverbot bei mir dazu geführt, dass ich während der Berlinale nicht mehr in Cafés oder Kneipen gehe, mich also ausschließlich zum Filmegucken auf dem Berlinaleplatz aufhalte.
In meinem Lieblingsfilm auf der diesjährigen Berlinale – »Megane« von Naoko Ogigami – wird übrigens überhaupt nicht geraucht. Vielmehr geht es darum, sich Zeit zu lassen, alles langsam zu tun; statt zu rauchen, die Beine baumeln zu lassen, in die Luft zu gucken usw. Aber der Film spielt auch auf einer japanischen Insel, auf der die Dinge angenehmer ausschauen als hier in Berlin.
Valentinstag. Rosen wurden an die Passanten verteilt. Ich saß hinter einem freundlichen Heizpilz unter einem blauen Sonnenschirm von Tchibo, trank zum ersten Mal in diesem Jahr am P Platz Kaffee mit Kuchen, las die taz, die SZ und den Tagesspiegel.
Der superzuvorkommende Tschibo-Mitarbeiter hatte mir gezeigt, wie man die Decke am besten hinlegt, damit es angenehm ist; Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich es am Potsdamer Platz richtig super gefunden.
Hirosue Hiromasa, der mit seinem Film »Higurashi« hier auf dem Forum war. Es geht um Entfremdung und Kommunikationsdefekte. Gefiel mir ganz gut.
Nach höflichen Fragen und Antworten, hatte also plötzlich ein Zuschauer dem Regisseur vorgeworfen, dass soviele Szenen so »blurry« gewesen seien und irgendwann ja auch tatsächlich ganz kurz ein Mikrofon im Bild gesehen wäre. So ganz vorwurfsvoll.
Da war es schon vier vor der Volksbühne beim Forums-Umtrunk. O. musste gleich noch zum Berlinale-Palast, um ein paar Dinge zu erledigen wegen der Aufführung von »Katyn« von Andrzej Wajda. In dieser Nacht würde sie nicht mehr schlafen. Freund Kornel hatte stundenlang versucht, Mariusz davon zu überzeugen, seinen nächsten Film nicht über »Meister und Margherita«, sondern über Immanuel Kant zu machen.
Morgen würden wir die Berlinale mit dem Animationsfilm Kizi Mizi von Mariusz Wilczynski beschließen.
Samstag, 16.02.08
Kater
Schönhauser Allee
Im dazugehörigen t-mobile-Spot quatschen sich nicht nur alle Freunde des jungen Mannes dank der supergünstigen Flatrates von t-mobile leer, auch ein Hündchen bellt so lange in das Telefon bis es leergequatscht ist.
Sonntag, 17.02.08
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»I-don’t-belong-here«
Reichenberger Straße
Dienstag, 19.02.08
Schalke – Porto 1:0 »Schalke schockt – Neuer rockt« (SPON)
Samstag, 23.02.08
Küchenfenster
Eingang Schleiermacher
Nordkoreanische Botschaft
So spät war es schon und ich ließ den Abend noch mal passieren, während ich nach Haus fuhr.
Ich kränkelte noch ein bisschen; auf der Geburtstagsfeier hatte E. gefragt, wie’s denn so wäre mit dem Erfolg meines Buches, was sich verändert hätte usw.
Wir gingen auf den Balkon, wo die beiden Nichtraucher rauchten.
Ich relativierte ein bißchen. Natürlich toll, aber so wahnsinnig viele Bücher sind ja noch gar nicht verkauft – ungefähr 5000 und für jedes Buch gibt’s 56 Cent.
»Wieviel waren es bei dir?«
»120.000 nach anderthalb Jahren.«
Wenn man in einer 13.000-Einwohnerstadt groß geworden ist, sind 5000 aber doch ganz schön viel.
Ich dachte bei den kaputten Fahrrädern immer, dass sie von ihren Besitzern im Stich gelassen und aufgegeben worden waren.
Donnerstag, 28.02.08
Freitag, 29.02.08
Borsig- Ecke Torstraße
Fast alles, was es in der Mörder-Bar gibt, ist toll. Leider hatte ich vergessen, mein Telefon mitzunehmen, so dass ich Ki nicht anrufen konnte, mit der ich gerne einen Café getrunken hätte. Leider hatte ich auch den Moment verpasst, in dem die Sonne in das Café schien.
© Alle Fotos: Detlef Kuhlbrodt