Jemandem fiel ein Buch auf den Kopf. Es löste sich aus einem der in die Höhe ragenden Regale und schlug hart auf seiner Schädeldecke auf. Der Mann rieb sich ungläubig die schmerzende Stelle, während er nach oben sah. Kurze Zeit später würde er bemerken, dass er den Inhalt des Buches nun auswendig kannte und problemlos in die riesigen Hallen hineinzitieren konnte, was er auf der Stelle tat. Es bildete sich eine kleine Menschentraube um ihn. Man mochte seine Stimme, sie war weich, aber laut, und war beeindruckt ob seiner Rezitationskunst. Nachdem er das ganze Buch aufgesagt hatte, interviewte ihn das Fernsehen wegen des wunderlichen Geschehens. Der Mann erzählte, was ihm widerfahren sei. Nun würde es eine Welle an Nachahmer:innen geben, die sich absichtlich, aber vergeblich Bücher auf die Köpfe fallen ließen. Die Menschen würden zwar mit Beulen herumgehen, wären aber dennoch gezwungen, die Bücher zu lesen.
Draußen stürmte es, zerrte an meinem Hotel, das einer Staumauer glich, heulte durch alle Ritzen und wirbelte Äste durch die Luft.
Mich hatte man derweilen in die Maske gesteckt, also mit einer Farbe, die meiner Haut verdächtig glich, angemalt, damit ich mich vor der Kamera sehen lassen konnte. Nachdem ich für die Kameras höflich gewinkt hatte, ging ich mit meinem Fernseh-Ich ins Freie. Ich musste aber enttäuscht feststellen, dass meine Maske ohne Kameras gar nicht sichtbar war. Also schlich ich ungesehen durch die breiten Gänge.
Ich sah nicht alle Stände, denn nicht alle Stände wollte ich sehen.
Die Menschenmassen blieben erst aus und schwollen dann an. Jemand zog eine Kette hinter sich her und schien auch sonst verkleidet. Andere saßen an Tischen zusammen; wie ich die Fragilität von Messestandarchitektur liebe.
Nachdem ich zwei Auftritte von Emine Sevgi Özdamar besucht hatte, bezeichnete ich mich bereits als heftiger Fan, ohne jemals ein Buch von ihr gelesen zu haben.
Ich las auf einem Parkplatz aus meinem Buch vor, auf der Rückbank eines Lieferwagens sitzend, allein. Der Sturm hielt das Gefährt in ruckelnder Bewegung. Der Text schwankte mit, so auch meine Augen, die sich daran festzuhalten versuchten, über die Kopfhörer pfiff der Wind. Die Tontechnikerin riss die Autotür auf, du kannst jetzt gehen, sagte sie, und pass auf, dass dir kein Ast auf den Kopf fällt.
Ich verlor mich in weiteren dunklen Hallen. Die Anzahl von anwesenden Büchern beruhigte mich. Irgendwo schwammen digitale Buchstabenschwärme um meine Füße herum, und so ging ich weiter, bis ich zu einem Stand kam, an dem Pommes frites verkauft wurden. Die Pommes hatten nicht die Form von Büchern, nicht von Buchstaben, aber ich verschlang sie trotzdem.
Plötzlich fiel mir etwas auf den Kopf. Danach vergaß ich alles, was ich die letzten Tage erlebt hatte, aber war nun in der Lage, Sätze wie gedruckt von mir zu geben.