Neun Studierende am Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft in Hildesheim sind von 1.–5. Juli in Klagenfurt unterwegs. An ihrer Uni haben sie am Seminar Schriftstellerinszenierung beim Ingeborg-Bachmann-Preis teilgenommen. Beim Wettlesen in der Stadt, im Strandbad am Wörthersee und auf diversen Partys setzen sie gemeinsam mit ihrer Kursleiterin Alina Herbing ihre Studien fort. Einschätzungen, Einblicke und Erkenntnisse dokumentieren sie in Wort und Bild, nachzulesen und anzusehen im Logbuch.
Die Autorenporträts: Peter Kruschner läuft auf MTV. Monique Schwitter singt eine Arie im Wald. Tim Krohn wohnt im Wald. Bei Falkner gibt’s nur Treppen und bei Ronja von Rönne gar nichts.
Die Texte: Erreichen insgesamt nicht die Qualität des vorherigen Tages. Zwei Texte fallen dennoch positiv auf: Falkners Manifest 47 ist ein expressiver Versuch, über repetitive Momente Ordnung in eine an Kriegszustände erinnernde, sinnentrückte Welt zu bringen. Trotz der ein oder anderen Wiederholung zu viel beeindruckt der Text mit seiner wagemutigen Sprache. Monique Schwitter erzählt in Esche eine Dreiecksgeschichte, hinter deren Humor im Laufe des Textes Momente der Beklemmung spürbar werden. Obwohl er seine interessante Ausgangslage – eine Art Stuhltanz um die letzten Plätze in einem Familiengrab – nicht ganz einlösen kann, heimst er von der Jury großes Lob ein und avanciert so zum Preiskandidaten.
Das Vorlesen: Ausgerechnet Ronja von Rönne, die es mit ihrer rotzigen Inszenierung zuletzt sogar auf eine Doppelseite im Spiegel geschafft hat, sorgt für etwas Authentizität auf der Bühne. Während die meisten anderen Autoren ihre Texte mit brav geübter Schüler-Vorlesewettbewerb-Betonung zum Besten geben, liest Ronja von Rönne die ersten Sätze ihrer Erzählung mit einer wohltuenden Unsicherheit. Nach einer Seite ist das leichte Zittern in ihrer Stimme zwar verschwunden und das professionelle Gewand sitzt wieder, aber der schöne Eindruck des Anfangs bleibt.
Die Jury: Kastberger bringt weiter Schwung in die Jury. Sollte er mal Autor werden, würde er sich Juri Steiner als Hauskritiker wünschen: »Steiner hat ein gigantisches Talent, die Defizite der Texte durch Eigeninterpretationen aufzuwerten.« Auch gegen Winkels stichelt er: »Diese Lesart heißt, den Text nicht verstanden zu haben.« Winkels selbst schlägt elegante Bögen vom Barock über Karlsruhe bis zum zeitgenössischen Coming of Age. Feßmann zeigt ebenfalls Kritikerklasse, ist technisch anspruchsvoll und bissig: »Die Bibel finde ich sprachlich interessanter.« Kegel prägt mit »Veganisis« das Wort des Tages, Gmünder sendet ein Lebenszeichen: »Wir haben es hier nicht mit Fiktion zu tun, sondern mit Realität«, und Keller und Steiner sind der Sonnenschein der Jury. Vor allem Steiner scheut keine Mühe, die skeptischen Kollegen von der Qualität eines Textes zu überzeugen: »Ich erklär’s euch gern noch einmal.«
Das Publikum: Handelt sich einen Tadel vom Moderator ein, als es noch während der Abmoderation aus dem Saal Richtung Weinschorle drängt.
Die Pausengespräche: Das drohende Gewitter beim Bürgermeisterinnenempfang bewegt die Gemüter noch immer. »Entladen hat sich das nicht.« – »Nee, nur in Maria Wörth hat’s noch geregnet.«
Das Essen: Auch in der Kantine werden Wörter ernst genommen. »Schnitzelbrötchen« heißt »Schnitzel« und »Brötchen«. Ohne Salat, Remoulade oder Tomaten. Nur Ketchup gibt’s gerade so dazu.
Das Wetter: Verzichtet heute auf Drohgebärden und lädt ein zum Sonnenbaden auf dem Literatursteg.
Die Frage des Tages: Fleisch oder nicht Fleisch?
Der Satz des Tages: »Ich möchte etwas Gutes über den Text sagen.« (Juri Steiner)
Die Entdeckung des Tages: »Die Summe der Liebe ist immer gleich.« – Nach anfänglichen Unstimmigkeiten finden Kastberger und Winkels doch noch zueinander.
Was sonst noch geschah: Die Gäste vom Bürgermeisterinnenempfang haben nichts verpasst: Vollmondschwimmen wegen Gewitter verlegt.
Wunsch an den nächsten Tag: Mit Juri Steiner über den eigenen Text sprechen.
Alle Bilder: © Aline Gallas & Virginia Brunn