Zum 30. Mauerfall-Jubiläum am 9. November 2019 versammeln wir im Logbuch Suhrkamp Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt. Eröffnet wird die Reihe mit Fotografien von Andreas Rost, die vor allem im Frühjahr 1990 in Berlin, Leipzig und Dresden entstanden sind. Es folgen ein Text von Emma Braslavsky und ein Langgedicht von Angela Krauß. Steffen Mau blickt anschließend auf seine Lektüre von Lutz Seilers Kruso zurück, Bodo Mrozek führt mit Ilko-Sascha Kowalczuk ein Gespräch über den »Sound der Wende«, und mit den Beiträgen von Deniz Utlu und Wolfram Höll beschließen wir die Serie.
Dankesrede anlässlich der Verleihung des Franz-Nabl-Preises 2011
Daß ich das noch erleben darf !
Dereinst hatte ich von Graz gehört.
Im Geographieunterricht – oder nicht ?
Graz gehörte nicht zu den Ewigen Städten
wie Wladiwostok, Swerdlowsk, Kaliningrad,
die auf der Stummen Karte gefunden werden mußten.
Die Stumme Karte – wird damit noch gearbeitet ?
Zu Zeiten der Stummen Karte
galt es viel Ungewißheit auszuhalten.
Das war schön, eigentlich.
Auf der Landkarte war namenlos zu sehen,
was alles noch erlebt werden mußte.
Man war auf Vorstellungen angewiesen.
Eine sehr persönliche Sache:
Die Welt an sich hinter dem geschlossenen Vorhang.
Das wuchs in einem heran,
man fühlte sich selbst wachsen, nämlich die Vorstellungen.
Der Mensch, den man bewohnt, baute sich aus.
Ein Interieur aus Imagination
von der Welt als schönstem Fall.
Einen rasend vorfreudigen Menschen hat das ergeben,
in meinem Fall jedenfalls.
Das verdanke ich der Stummen Karte.
Bertl Mütter hab ich in Graz unter Wasser kennengelernt.
Als Kind kannte ich Österreich aus UFA Filmen,
Österreich gehörte nicht zum Westen, es war neutral,
netter. Die DDR konnte Österreich nie zum Feind erklären.
Hans Moser, Das Weiße Rössl, das saß einfach zu tief.
So lag Österreich irgendwo
weit hinter den feindlichen Linien,
jenseits des deutsch-deutschen Gemetzels,
wo es wieder grün wurde
und immer schon grün war.
Ich komme aus Leipzig,
wir haben das Ganze angefangen, die Revolution, vor 22 Jahren.
Wer 22 ist, dem möchte ich sagen:
Das Beste kommt noch !
Die DDR wurde 40,
auf dem Fest gab es Aal und Blutwurst,
das hat nicht gepaßt
und runter der Vorhang – WIR SIND DAS VOLK.
So schnell geht das.
Alles in Leipzig unter meinem Fenster.
Daß ich das noch erleben durfte !
Die Welt sprang auf
und lag mir zu Füßen
und siehe, es war Graz !
Ja, lachen Sie nur.
Es gibt Menschen, die geben Ihrer Stadt zurück,
was im Schlick des österreichischen Sarkasmus
längst versunken ist:
Bewunderung ohne Vorbehalt.
In Graz lag das Stadtmuseum,
es gehörte mir.
Für ein ganzes Jahr.
Daß ich das überhaupt fassen konnte !
Mit dem Blumenstrauß vom Stadtrat Strobl
(Helmut Strobl, ein Mann aus jener Zeit,
als die Stadträte mit dem Amt auch die Verantwortung
für die Zukunft übernommen haben)
mit dem Helmut seinem Blumenstrauß
ging es richtig los: Der Westen ! Die Welt !
Max Droschl fuhr einen Bus voller Leser
ab Jakominiplatz in eine Buschenschank.
Der Autor auf meinem Nachbarsitz
litt unter jetlag, Walter Grond.
Angenehm, sagte ich, Stadtschreiberin von Graz.
Er sprach verzweifelt zu mir
von den makellosen Körpern in L. A.
Ich wußte nicht recht – bis dorthin war ich noch nicht vorgedrungen.
Ich fand: alle im Bus sahen auch ganz passabel aus,
von der Gegend draußen ganz zu schweigen.
Makellos war gar kein Ausdruck.
Der Westen insgesamt und als Ganzes,
und falls das hier nur ein Ausschnitt sein sollte,
soviel Schönheit auf einen Schlag !
Dann setzte sich ein Autor unter einen blühenden Baum
und las aus seinem Buch vor.
Ich war in Trance gefallen.
Gleich neben der Buschenschank,
eben im Busch – wurde ich gebissen.
Darauf waren wir in der DDR auch nicht vorbereitet:
der steyrische Zeckenbiß.
Nicht mal das haben sie in L. A.,
stöhnte Walter Grond,
diese makellosen Körper sind auch noch immun.
Ausgerechnet ich wurde gebissen.
Nicht der Max, nicht Elfriede Jelinek,
nicht der Walter, obwohl gerade er
mit seiner Schönheitsdepression sehr angreifbar war.
Kein einziger Leser wurde gebissen,
was die Droschl-Inszenierung der Buschenschank-Lesungen
andernfalls leicht in Schräglage hätte bringen können.
Ganz Zecken-Graz war sich einig, daß ich es sein sollte.
Warum ?
Weil es das erste Mal hat sein sollen,
daß der Heinz Hartwig mich gerettet hat.
Der Heinz hat mich mit der Rettung zur Ilse ins Spital gefahren,
dort hat mich die Ilse mit der Notspritze weitergerettet.
Ich wußte ja nicht mal, daß das Geld kostet.
Weil ich doch lebenslänglich versichert war in der DDR.
Aber die gab es nicht mehr.
Die Ilse und Heinz Hartwig haben mein Leben gerettet
und die Rettung gleich mitbezahlt.
Und so konnte ich
weiter im Märchenland fortleben.
Als wär nix.
Heinz da oben ! Ilse hier unten !
Danke !
Bertl Mütter übrigens ist mit seiner Posaune unter Wasser aufgetaucht,
weil die Stadt Graz extra für Bertl Eimer aufgestellt hatte,
in die er hineinposaunen konnte, bis es Blasen gab.
Das war die legendäre Ausstellung WASSER GRAZ.
Als Bertl ausposaunt hatte, sprach ich leise:
Ich singe gern.
So ganz bescheiden, ostdeutsch.
Da hat sich der Bertl, noch naß, auf der Stelle als Gesangslehrer angeboten.
So seid ihr !
Das Stadtmuseum gehörte mir allein.
Wenn auch nur nachts.
Der blonde Portier hat mich gewarnt:
Es spukt nachts auf der Stiege.
Allnächtlich spazierte ich durchs ganze Haus.
Ganz oben, wo die großen, sperrigen,
die geschenkten Kunstwerke abgestellt waren
und im Finstern umeinanderstanden –
da konntes schon spuken !
Tagsüber auf der Galerie zum Reinerhof,
jedesmal am Fenster der Jeannie Celedin vorbei.
Jeannie war für die top-Kunstwerke von Graz zuständig,
ich nachts für die Schenkungen der gruseligen Art.
Sie wurden mir vertraut wie Alptraumpersonal
wie Spielzeug, ach, aus der frühen Kindheit.
Alles,
was mir in Graz begegnete, leuchtete
im Glanz des Lebensanfangs,
als noch nichts Namen hatte.
Auch Jeannie,
Jeannie ist selbst ein Kunstwerk.
Ist diese Figur echt ?
hörte ich Männer neben mir stöhnen.
Nicht nur die Figur, warnte ich.
Die ganze Frau !
Mein Gesangslehrer erschien auf der oberen Galerie,
und ich hatte schon ein kleines Repertoire bereit.
Ich intonierte die weißen Sehnsuchtsmelodien,
Bertl riß die knarrenden Türen auf,
befahl mir zu nachzuknarren, stimmlich.
Nach einer Stunde hatte es sich ausgeknarrt,
das Weiße Rössl.
Also erst kam der Blumenstrauß
vom Helmut Strobl oder von der Stadt Graz,
außerdem war plötzlich Mai.
Am nächsten Tag wurde ich 40
beim Otto Kieslinger.
Ein halbes Jahr jünger als die DDR.
Der Otto Kieslinger in seinem Glück da oben
wußte von all dem nichts – aber da hatte ich mich geirrt.
Der Otto Kieslinger war in der Sowjetunion !
Wir haben hinaus nach Slowenien geschaut
und über die Sowjetunion geredet,
und ich wußte, einer versteht mich.
Daß ich das hier erleben durfte !
Es war aber nicht nötig, eigentlich.
Ich mußte gar nicht verstanden werden.
Ich konnte vollkommen von mir absehen.
Vielleicht der schönste Ausdruck von Glück.
Ich konnte vollkommen von mir absehen.
Und hin auf Graz.
Die Dächer des Reinerhofs
in der Sommerhitze – dieses Glühen.
Stundenlang hab ich auf die Dächer
des Reinerhofs geschaut.
Zwischendurch habe ich DIE ZEIT
von vorne bis hinten durchgelesen.
Es muß eine harte Zeit gewesen sein,
das Jahr 1990 in der DDR.
Die keine mehr sein wollte.
Und noch nicht wußte, was.
Und während sie noch überlegte,
ist sie schon dreimal zerlegt, ausgeweidet
und in Teilen verkauft worden
für eine Demark und gegen Fördergelder
im siebenstelligen Bereich.
Das habe ich alles in der ZEIT gelesen,
auf der Galerie des Stadtmuseums,
in der Julihitze.
Danach habe ich wieder eine Stunde
auf die Dächer des Reinerhofs gestarrt.
Zwischendurch dachte ich,
das grenzt an Verrat,
daß du das jetzt hier erleben darfst.
Das war der Moment,
da Heinz Hartwig mich zum zweiten Mal gerettet hat.
Mit dem Heinz hab ich mich immer im Promenad’ getroffen.
Mit dem Skerbisch hab ich mich im Krebsenkeller getroffen.
Mit dem Strobl hab ich mich immer im Erzherzog Johann getroffen.
Mit dem Werner Krause hab ich mich aufm Schloßbergplatz getroffen.
Mit dem Walter Grond hab ich mich am Mehlplatz getroffen.
Den Bertl hab ich immer aufm Rad getroffen.
Mit dem Max Droschl hab ich mich in der Buchhandlung getroffen.
Mit dem Fredi Kolleritsch bin ich zum Kalvarienberg gewandert.
Mit dem Mohr im Hemd hab ich mich in der Mariahilferstraße getroffen.
Den Wollhaubensandler hab ich immer am Herrenplatz getroffen.
Mit dem Stiefelkönig hab ich mich in der Herrengasse getroffen.
Nur Männer.
Die dachten alle, die weiß nix.
Von Graz. Von dem ganzen Intrigantnstadl.
Ich war ein unbeschriebenes, ein blütenweißes Blatt.
Das nix weiß.
Ein jeder konnte sich so herzeigen, wie er schon immer sein wollte.
Und in dieser Stunde wirklich war.
Das geht nicht von allein.
Dazu braucht es ein Gegenüber.
Nicht irgendeins.
Sondern jemanden, der 40 Jahre lang auf einen gewartet hat !
Jemanden, der 40 Jahre lang nicht aufgehört hat,
an einen zu glauben.
Jemanden, der einem jetzt die zweite Chance gewährt.
Jemanden ohne Arg.
Das war ich.
Daß Ihr das noch erleben durftet !
Es war ein Geben und Nehmen, meine Lieben !
Ihr wart für mich der Westen
und ich war der Osten für Euch.
Ich hab mir lange Vorstellungen gemacht,
und daran mußtet Ihr Euch messen lassen.
Und Ihr hattet auch so Euer Bild,
und ich sollte reinpassen.
Eine, die sich als erstes einen Hut kauft
für 2000 Schilling.
Anstatt ein Buch von Solschenizyn.
Manches kann eben warten
nach 40 Jahren.
Anderes nicht.
Wißt Ihr, was das Schönste war an Graz ?
(abgesehen von seiner unübersehbaren Schönheit)
Daß es außerhalb von Deutschland lag.
Deutschland, das konnte ich damals noch nicht
als Wort in den Mund nehmen,
das lag weit hinten, zwischen Bismarck und dem Potsdamer Abkommen.
Wenn ich damals, sagen wir Stuttgart
hätte für die Welt halten sollen –
ich hätte mich bis heute nicht davon erholt.
Wer weiß, was aus mir geworden wäre.
40 Jahre Sehnsucht und dann das.
Ich meine: Menschen wie du und ich.
Ich meine: eben Deutsche.
(Inzwischen haben wir uns aneinander gewöhnt,
aber 20 Jahre brauchtes.)
Was in 40 Jahren Sehnen und Träumen gewachsen ist,
das kann von Deutschen einfach nicht erfüllt werden.
Der Deutsche ist mehrheitlich Materialist,
da ist nichts obendrüber.
Nur durch diesen Sehnsuchtsbrutkasten,
aus dem 40 Jahre keiner rauskam,
wo du über der Stummen Karte gebrütet hast,
konnte ein unerschütterlicher Romantiker
sein Paradiesbild in den Äther projizieren
von der Welt hinter dem Vorhang.
Wenn ich geahnt hätte, daß es das wirklich gibt: Graz !
Die einen Deutschen haben von den anderen Deutschen
immer schon alles gewußt.
Nur weil sie die gleiche Sprache sprechen
glauben sie, den andern zu verstehen.
Das ist mit Österreich anders,
wir sprechen nicht die gleiche Sprache.
Das ist das Schönste,
abgesehen von der überwältigenden sichtbaren Schönheit.
Sichverstehen ist in Österreich etwas anderes
als in Deutschland.
Bei Euch bleibt immer genügend Luft,
damit der andere sich noch rühren kann.
Bei uns muß es millimetergenau passen,
das Verstehen,
sonst versteht man sich nicht.
Hier bleibt Spielraum
In Euerm Spielraum hab ich mich nach 40 Jahren erholt.
Trotzdem kam es soweit,
daß mich der Heinz Hartwig im Promenad’
ein zweites Mal retten mußte.
Das kam so:
Am Wochenende in der Julihitze
da hab ich also auf der Galerie vom Stadtmuseum
immer DIE ZEIT gelesen.
Am Sonntagabend wußte ich dann,
daß meine Landsleute in der DDR am Montag früh
die Kündigung wegen Generalabwicklung
ihres Volkseigenen Betriebes in die Hand gedrückt bekommen werden.
Während ich in der nächsten halben Stunde
vom Skerbisch, vom Fredi oder vom Hans Bäck aus Kapfenberg
abgeholt wurde – und nichts wie hinauf
zum Otto Kieslinger !
So eine Lage kann man, wenn Sommer ist,
und wenn überhaupt Graz ist,
ganz leicht verdrängen.
Bis zu dem Tag, da in der Post
auf der Galerie vom Stadtmuseum
in der prallen Sonne ein Umschlag gelegen hat
mit dem Vertrag für mein neues Buch,
unterschrieben von der Hand
des großen Siegfried Unseld.
Ich legte den Vertrag in den Kleiderschrank
unter den Hut, der dort warten würde
bis Allerheiligen.
Damit war die Sache vergessen.
Da – im Traum erschien mir meine Lektorin
vom AufbauVerlag Berlin, meinem DDR Verlag.
Meine AufbauLektorin sprach im Traum zu mir:
Jahrelang mußte ick unter die Marotten
der Großautoren in Staatsnähe leiden
und nu valäßt ausjerechnet du mir ?
Zu dir hatte ick Vertrauen – und nu hauste ab !
Ich bin ungeeignet für Klassenkampf.
Mein Herz erliegt einzelnen Menschen.
Ich bin völlig hilflos im Klassenkampf.
Ich frage mich, wie ich das 40 Jahre durchgestanden habe.
Jetzt wurde ich da nochmal richtig reingerissen.
Meine arme Lektorin mit dem cholerischen Großautor
alleinelassen !
Da hat der Heinz Hartwig kurz und bündig gesagt:
17 Uhr im Promenad’
und du bringst den Vertrag mit.
Den Hut ließ ich im Stadtmuseum,
es war zu heiß.
Kaum im Promenad’,
hat mir der Heinz sofort angesehen,
daß ich drauf und dran war,
im allerletzen Augenblick
ein Opfer des Klassenkampfes zu werden.
Ein Opfer des Konflikts der Machtblöcke
des 20. Jahrhunderts.
Nur weil meine sanfte Lektorin
von ihrem Choleriker mit Massenauflage
ein paarmal fertig gemacht wurde,
konnte ich ihr nicht antun, auf die andere Seite zu wechseln.
Die andere Seite gibts nicht mehr,
sagte der Heinz und drückte mir seinen schwarzen
Montblanc Füllfederhalter in die Hand.
Und hat gewartet und gewartet,
bis ich neben Siegfried Unseld zweimal unterschrieben hatte.
Und jetzt darfst was Feines essen !
Drei Mohr im Hemd bitte !
Heinz, das vergeß ich Dir nie !
Du fehlst mir.
Wenns wiedermal so ist,
ruf mich an von da oben
und bring mich zur Vernunft.
Bertl ! Spiel weiter !
Ja die Musik ist weit und wahr;
man muß keine Worte machen,
Worte schaffens nie ganz.
Wie die Dächer des Reinerhofs in der Sonne geglüht haben !
Wie der Glanz des Lebensanfangs.
Der Zauber des noch Unerfahrenen, Verborgenen,
hinter dem Vorhang.
Da fehlen einem die Worte.
Wie diese ins Blaue geschossene Rakete
meiner aufgesparten, aufgestauten Begeisterung am Leben
niederging über Graz.
Und Graz, das für sich allein schon schön ist,
in die Farben dieses prachtvollen Planeten getaucht hat,
ich meine vom Mond aus gesehen.
Daß ich das hab erleben dürfen.
Und daß Graz das hat erleben dürfen !
Das alles hat gemacht,
daß Heinz Hartwig mich zum dritten Mal
hat retten müssen.
Denn der Bertl und die Jeannie und der Fredi
und die Santa Clara mit dem langen Zopf
und die lieben alten Bäuerinnen am Kaiser Josef Platz
Wollens wos mitnehmen ?
Und das alles ein ganzes Jahr,
das fühlt sich ja an wie ein neues Leben.
Da fällt die Trennung schwer.
Das ist schwer zu verlassen.
Das tut richtig weh.
Und da hat mich der Heinz zum Otto Kieslinger gefahren,
wir haben miteinander beim Wein
stundenlang nach Süden geschaut,
wo angeblich eine Grenze hat sein sollen.
Und dann bin ich hinunter
und hab heimlich die Grenze gesucht.
Keine Uniformen, keine Wachhunde, kein Draht
Gar nichts.
Nur Weinland.
Und ich bin gegangen und gegangen,
schöne Wanderwege, und gegangen
und urplötzlich – mit einem Schritt
hab ichs gewußt:
Ich bin drüben.
Das heißt, meine Fußsohlen habens gewußt.
Sie haben es getastet: Grasnarben auf dem Weg,
Rinnen, Huckel, Steine, Bruch, kleines wüstes Geröll,
da haben meine Fußsohlen gewußt: Ich bin zuhause.
Und kehrt !
Und hinauf zum Otto und zum Heinzi !
Und der Heinz hat geseufzt und gesagt,
jetzt weißts !
Für dich ist das hier zu schön.
Hier hat jemand wie du ja nix mehr zu tun.
Und der Otto hat noch einen Wein gebracht,
und ich hab Rotz und Wasser geheult,
wegen der Liebe zu euch allen und
zu meinem namenlosen, runtergekommenen Land.
Das ich während dieses ganzen Jahrs
auf der Stummen Karte kaum noch gefunden hätte.
Aber vorallem wegen dem herrlichen Leben überhaupt.
Und daran denkt mal, meine Lieben,
wenn ihr beim Kieslinger sitzt,
und laßt euch das gesagt sein:
Daß es hier so schön ist,
noch viel, viel schöner,
als ihr Euch das
in Eurer ewigen Schönheitsdepression
vorstellen könnt.
Es ist so !
Der Franz-Nabl-Preis wird jedes zweite Jahr von der Stadt Graz verliehen, wo Angela Krauß 1990 das Stadtschreiberamt innehatte. Die Rede erschien erstmals in manuskripte 200/2013.