Lange bevor aus Tribunal ein Roman wurde, schlenderte der Stoff in Form eines Drehbuchs, Dollarzeichen auf der Stirn und Box-Office-Quoten hinter den Ohren, in Richtung Genrekino, und siehe da: Es ward nicht gut, gar nicht gut, aussichtslos sogar. Denn statt nach Dollars müffelte der Stoff zu sehr nach Realität, zu wenig nach Genre, die Leichen rochen zu sehr nach Leichen und zu wenig nach Popcorn. Und so kehrte der Stoff nach einer siebenjährigen Mesalliance von seiner Form befreit zurück zu seinem Autor – wie eine deprimierte 21-Jährige nach einer gescheiterten allzu frühen Ehe. Und jetzt? Wo, bitte, ist das Glück? Wo ist mein Platz in der Welt?
Seit ein paar Jahren sind »Novelizations« von Drehbüchern in Mode – »Novelization« klingt much more sexy denn »Das Buch zum Film« oder »Hintertür«: Wenn du mit einem Drehbuch nicht durch die Vordertür kommst, mach einen Roman draus, wenn er ein Erfolg wird, schaffst du’s durch die Hintertür in die cineastische Speisekammer mit lecker Dollars!
Inzwischen gibt es »Novelizations« sogar von Fernsehserien, die gleich durch die Vordertür ins Haus gepurzelt sind – Das Verbrechen. Kommissarin Lund zum Beispiel. Manches davon liest sich auch sehr super. Und fast alles ist in einem Stil geschrieben, der sich anhört, als hätte Spock die großen Autoren des Realismus aus dem 19. Jahrhundert direkt in die Kriminal- und Thrillerliteratur des 21. Jahrhunderts gebeamt: kurze Beschreibung, damit wir uns vorstellen können, wo wir sind. Dann rein in die Handlung, ein Absatz pro Handlungsschritt, nicht zu viel Introspektion, dann Dialoge, schön abgesetzt durch Anführungszeichen, dann Kommas, dann »sagte Lund«, »meinte Lund«, »gähnte Lund«, klare Grenzen zwischen Gesagtem und Gedachtem, klare Perspektivik der Erzählhaltung, am besten eine Figur, mit der wir mitgehen, Vergangenheitstempus, Sätze mittlerer Länge, mindestens ein Komma, höchstens drei. Das Ganze bisschen schneller als Achtzehnhundertirgendwas, aber im Prinzip so, als müsste Balzac dringend aufs Klo und hätte vorher kurz noch zwei, drei Seiten in sein MacBook gehauen!
Tatsächlich sind Drehbücher den realistischen Romanen des 19. Jahrhunderts ähnlich – Romane, die sich manchmal wie Drehbücher avant la lettre lesen, nur zu dick, zu viel Beschreibungsblabla und mit Dialogsätzen, in denen kein Mensch wirklich spricht. Die Versuchung, aus einem Drehbuch eine »Novelization« im universell verdaulichen Stil des Realismus zu machen, ist wegen dieser Nähe groß, es ist erstaunlich, wie einfach es geht, und umso erstaunlicher, pardon!, wie beschissen das Resultat sich liest.
Leicht zu schreiben, allzu leicht zu lesen.
Auf keinen Fall das, wofür man nach sieben Jahren Tingeln durch die Welt nach Hause zurückkehrt.