Ein Gruß zum 100. Geburtstag in 10 Folgen
Folge 2
Geizhälse der Kommunikation
Max Bense, der bei der Nacherzählung von Ereignissen, an denen er beteiligt war, zur Übertreibung neigte, behauptete, er habe mit anderen Leuten vor dem Rektorat der Hochschule für Gestaltung geharrt, bis mehr als eine Stunde vergangen war. Aus dem Rektorat seien schon längere Zeit keine Stimmen mehr zu hören gewesen. Daraufhin seien sie in diesen Besprechungsraum eingedrungen, in dem Max Bill, Rektor der Hochschule für Gestaltung, mit Arno Schmidt über dessen Berufung in eine zu gründende Literaturabteilung der Hochschule verhandeln sollte. Die beiden Verhandler hätten sich an unterschiedlichen Enden des langen Rektoratstisches, einer schieferfarbenen Tischplatte, mit anderen ähnlichen Tischen dieses Designs zu einem extrem schmalen Rechteck zusammengerückt, gegenübergesessen. Offensichtlich verbittert und schon längere Zeit im Schweigen. Schmidts Antrittsbesuch war gründlich mißlungen. Wie er später erzählte, habe Max Bill schon zu Beginn geäußert, Texte wie die von Arno Schmidt habe er bereits als 19jähriger verfaßt. Schmidt habe erwidert, als Mathematiker vermöge er parallele Linien, wie sie alle Möbel in diesem Viereckraum aufwiesen, sicherer nachzuzeichnen als Bill. Ein Rektor, der nichts anderes könne als dies, sei für eine neu zu gründende Hochschule überflüssig. Was genau gesagt wurde und ob überhaupt gesprochen wurde, war nicht zu ermitteln. ERZÄHLEN und BAUEN fielen auseinander.