Khesrau Behroz gewinnt 2009 mit seinem Text Der General einen Preis beim Treffen junger Autoren. Fünf Jahre später erinnert er sich daran.
Alles beginnt damit, dass ich Dich aus Deinem Taxi reiße und Dich in ein Taxi schreibe. Ich halte Dir die Tür auf und bitte Dich einzusteigen, und als Du einsteigst, mache ich die Falle zu. Du kennst dieses Taxi, sagst Du, Du sitzt jeden Tag darin. Ich weiß, sage ich, ich weiß, dass Du jeden Tag in so einem Taxi sitzt. Aber das ist kein echtes Taxi, das ist nur so ein Taxi, das habe ich mir ausgedacht. Es ist eine Tücke. Ich habe Dir die Tür nicht aufgehalten, und Du bist auch nicht eingestiegen, das ist nur ein Text, ich denke mir das aus. Ich schreibe Dich in ein Taxi und lasse Dich zornig sein, Du bist ein General in meinem Taxi, in meinem Taxi kennen wir uns nicht. Und doch reden wir miteinander. Über Krieg, über die anderen Generäle, über dieses Land, jenes Land, das Land da. Schamlos, wie ich Dich auseinandernehme, Dich, der Du nicht vor mir stehst. Du bist meinen jungen Fingern ausgesetzt, sie hauen Dich in ein Taxi, sie hauen Dich in Form, und plötzlich bist Du Text, ein wahnsinniger Text, ein zorniger und zuletzt auch blutiger Text, ein Text, der auf einen Höhepunkt zuläuft, kein retardierendes Moment. Und wie kann ich Dich denn sterben sehen in so einem Text, wo Du doch abends auf Deiner Couch sitzt und so offensichtlich atmest, so offensichtlich lebst?
Wenn ich Dich aus Deinem Taxi reiße und Dich in ein Taxi schreibe, dann tue ich das nicht für Dich. Ich tue das nicht einmal für mich. Für die anderen, für sie schreibe ich. Einen Preis möchte ich gewinnen, das Schulterklopfen einer Jury, ein bemerkenswerter Text, ein preiswerter Text. Gut gemacht, mach bitte weiter so, hör nicht auf zu erzählen, mach bloß weiter so, immer weiter, immer weiter so, bis uns das Atmen schwerer wird, bis wir so weit sind, gemeinsam eine Zigarette zu rauchen – oder so.
Jemand sagt, ich solle lesen. Ich betrete die Bühne, und das Licht ist warm. Der Text ist nun ein Preisträgertext. Ich erinnere mich, als er nur Fragment gewesen ist, und dann, als er ein Wettbewerbstext gewesen ist, und dann, als er ein Engere-Auswahl-Text gewesen ist. Er ist groß geworden, steht nun auf eigenen Beinen, ist aus meiner Hand, außerhalb meiner Kontrolle. Ich sage, das ist mein erster Preis. Ich bin ein junger Autor, der seine Menschen aus ihren Leben reißt und sie in neue Leben schreibt, der sie unfassbaren Schmerzen aussetzt und der geduldet wird von diesen Menschen. Und sollte ich diesen Preis annehmen, dann werde ich erbarmungslos weitermachen. Das Publikum applaudiert. Das Atmen fällt mir schwer. »Ich nehme den Preis an.«